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Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)

Titel: Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loons Gerringer
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dieses Fenster sah man in Richtung
Stadt. Aus dem Lager quoll eine Menschenschlange auf den Küstenweg hinaus, die
sich dann mit Lichtern und Fackeln an der Küste entlang auf die Stadt zu
bewegte.
    „Und die Custodians lassen das zu?“ Er war ziemlich
sicher, dass der in der Felsnische noch immer da unten stand; er bildete sich
ein, dort hin und wieder eine Zigarette aufglühen zu sehen.
    „Es gehört ja zum Fest. Solange die Pilger die
Einheimischen in Frieden lassen …“ Miryadins Blick verfinsterte sich. „Siehst
du die Leute, die getragen werden?“
    Hier und da in dem Zug hatten sie sich zu zweit ein
Brett über die Schultern gelegt, und darauf saßen Menschen, einige standen
sogar – als wollten sie eine Zirkusnummer vorführen, nur dass sie nicht wie
Artisten aussahen.
    Er sah Miryadin fragend an, aber die presste nur die
Lippen zusammen und sagte nichts mehr dazu. Der Zug wälzte sich langsam über
einen Straßenbuckel und verschwand dann dahinter. Als das fiebrige Getrommel
leiser wurde, beruhigten sich auch die Leute im Krankensaal wieder. Plötzlich
fiel ihm ein, dass er Carmino und vor allem Pix versprochen hatte, bald wieder
zurück zu sein.
    „Ich sag den anderen eben Bescheid, dass ich hier im
Haus bin, und dann komme ich zurück und –“
    „Nein, du musst schlafen gehen. Ich hätte dich sowieso
jetzt bald weggeschickt. Du bist noch nicht wieder ganz gesund. Und heute ist
es ja ruhig hier. Das Baby, das bekommen Herwen und ich allein auf die Welt.
Und Norbita ist ja auch noch da.“
    „Also gut – aber du kannst mich jederzeit holen, wenn
ihr Hilfe braucht. Ich bin in dem Schlafsaal ganz oben unter dem Dach.“
    „Das werde ich tun, wenn es nötig ist. Komm morgen
wieder! Das heißt, wenn ihr dann nicht eure Nacht in dieser Höhle verbringt.
Ich wünsche euch Kumatais Segen!“ Sie bewegte ihre Hand vor seinem Gesicht, und
für einen Moment sah er die dunkle Tätowierung an ihrem Handgelenk, die ihm vorhin
schon aufgefallen war. Dann berührte sie seine Stirn, als wollte sie ihn
segnen. „Seid vorsichtig! Gute Nacht, James.“
    Als er durch den Flur zur Treppe ging, sah er bei der
Tür die Wirtin, Onska Amakurrin, in ein heftiges, aber leises Gespräch mit zwei
Männern vertieft, die ganz sicher keine Gäste waren. Breitschultrig und in
schweren Jacken, auf deren pelzgefütterten Kapuzen der Schnee schmolz, standen
sie so selbstbewusst in dem engen Raum, dass sie weder Pilger noch Flüchtlinge
sein konnten.
    Dann lag er zum ersten Mal seit Sakor Tent wieder in
einem Bett. Das hier hatte sogar einen Strohsack, aber er konnte trotzdem nicht
einschlafen. Vielleicht war er einfach kein Dach über dem Kopf mehr gewöhnt.
    Sie waren endlich da. Nach all den Wochen auf der
Straße waren sie nun endlich in Ligissila, und er hatte ohne jede Mühe
erfahren, welchen Weg er nehmen musste, um zu diesem Schlund von – nein, zum Schlund der Bo-Grasta zu kommen. Seine Visionen hatten ihn richtig geführt. Da
draußen in der Bucht, da draußen unter dem Meer, da war der Askertormen
versteckt, und morgen würde er ihn holen. Alles easy. Das hätte sich doch
irgendwie gut anfühlen müssen. Stattdessen war er nur grenzenlos müde. Mit
einem Mal schien seine ganze Motivation aufgebraucht zu sein. Vielleicht hatten
die anderen ja Recht: Inglewing, Carmino, Firn. Vielleicht war es besser, sich
irgendwann einfach abzufinden. Vielleicht war das besser, als da
hinunterzusteigen und etwas zu suchen, das dann im günstigsten Fall doch nur zu
den nächsten Schwierigkeiten führen würde.
    Jetzt aufgeben – na klar. Das war nur die Erschöpfung.
Wahrscheinlich hatte er auch immer noch etwas Fieber. Denn er wollte doch
zurück, unbedingt! Er lag da und rief sich all das ins Gedächtnis, was er jetzt
seit Wochen vermisste: kalten Orangensaft, heiße Duschen und frische Wäsche …
stille, langweilige Stunden über Lehrbüchern … Kantinenessen, Prüfungen,
normale Leute und normale Alltagssorgen. Reicht das Geld bis Monatsende? Ist
noch genug Benzin im Tank? Krieg ich den Lehrstoff bis Montag in den Kopf? Was,
wenn sie die Pille vergisst? Kantine oder doch McDonald’s? Will ich für immer
mit ihr zusammenbleiben? Wird Morten jemals seine nassen Handtücher vom
Badezimmerboden aufheben? Wird die Leere in mir irgendwann wieder verschwinden?
    Die letzte Frage fühlte sich auch hier passend an.
Hier, im Bett im Blauen Haus, wo er gestrandet war und unbedingt einschlafen
wollte. Wo die Dunkelheit vor dem runden

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