Tyggboren (Salkurning Teil 2) (German Edition)
nicht
tot, sie war – ihr Klang war das Schönste, was ich jemals gehört hatte. Das war
wie Magie. Ich musste immer wieder hingehen und hören, wie diese Saiten klangen.
Irgendwann beschloss ich, dass ich es richtig lernen würde, wie – wie
Schwertkampf oder Messerwerfen oder all das andere Zeug, das ich lernen musste.
Wir hatten nicht oft Harfner zu Besuch – Harfen sind nicht sehr beliebt in
Aubrelier – aber wann immer einer von denen aufkreuzte, guckte ich mir ab, wie
er spielte. Wenn so einer auf dem Markt spielte, konnte ich ihn auch ausfragen.
Es war zum Verrücktwerden: Für alles gab es Lehrer, nur bei dieser Sache, die
ich so unbedingt lernen wollte, musste ich mir jedes Bröckchen Wissen
erschleichen! Aber trotzdem – als ich neun war, da wusste ich, dass ich sehr
gut werden würde. Und da wusste ich auch schon, dass es das war, was ich tun
wollte. Klingt verrückt, oder?“
Verrückt oder nicht, es war jedenfalls weitab von
allem, was heute noch zählte. Aber es rief Bilder vor seine Augen: Aubrelier,
die hohen Bögen und die Gitter aus Schnitzwerk, Teppiche und Wappen, die
kühl-herrschaftliche Atmosphäre. Und ja, das Zimmer mit den abgedeckten Möbeln
und die Musik, die ihn darin gefangen genommen hatte.
„Warst du denn so sicher, dass deine Eltern dich nicht
Harfe spielen lassen würden?“
Firns Blick war Antwort genug.
„Also bist du doch deshalb abgehauen? Als du in diese
Kaserne solltest?“
„Nein. Das war anders … ich hatte … ich wollte –“ Er
verstummte, den Blick auf seine Hände gesenkt, die eine im schmuddeligen
Verband und die andere mit den langen, tatkräftigen Fingern, die über den
Knöcheln jetzt vom kalten Wasser bläulich verfärbt waren. „Da kam irgendwann
ein Harfner an den Hof. Ich glaub heute noch, dass er sie gezwungen hat, ihn
einzulassen. Das war so ein Kerl, der – aber dazu komm ich noch. Er spielte vor
der Familie und den Gästen, genau wie wir da den Warric gespielt haben.
Er war gut. Kein Meister, aber gut. Ich wusste, ich würde mal besser sein.
Vielleicht hat er gemerkt, wie ich ihm auf die Finger starrte. Aber er wusste
es ja wohl sowieso … na, jedenfalls rief er mich zu sich, als er fertig war und
alle zum Essen gingen. Weiß nicht mal, ob er wirklich rief oder ob er mich
einfach so angesehen hat, dass ich zu ihm kommen musste. Und dann hat er mich
ausgefragt. Ich antwortete so wenig wie möglich. Meinen Namen wusste er schon,
und auch, dass ich Harfe spielte, aber wie konnte er das wissen – das wusste
niemand! Er wollte hören, wie meine Pläne aussahen. Fragte mich, ob ich meinem
Vater gehorchen würde. Ob ich vorhatte, nach Harbauste zu gehen. Und wie weit
ich auf der Harfe war … ich dachte schon, er würde mich auch noch zwingen, ihm
vorzuspielen. Ich mochte ihn nicht. Wollte mich verdrücken. Aber er quatschte
mich voll, als wäre er einer meiner Lehrer … sagte, dass ich als Harfner eine
Pflicht in dieser Welt hätte, und dass die wichtiger wäre als das, was mein
Vater sagte, wichtiger als alles andere – eine Pflicht, der ich mich beugen
müsste. Da hatte ich es satt. Ich sagte ihm, dass ich der Sohn des Maikron von
Maikonnen wäre und gar nichts müsste und dass ich mich ganz bestimmt nie
beugen würde, weder meinem Vater noch vor irgendwas sonst –“
„Tristain Gascoigne“, murmelte James und konnte jetzt
auch ihn vor sich sehen: einen Zehnjährigen mit der ganzen geballten
Aube-Arroganz.
„Hat mir aber nichts genützt. Er legte seine Hand auf
meinen Arm, und dann – seine Augen, sein Mund bewegten sich plötzlich ganz
schnell, ich konnt nur ein verwaschenes Flüstern hören, mehr ein Geräusch als
wirklich Wörter … ich hab mich losgerissen, aber da war’s schon zu spät. Er
hatte seine Botschaft schon in meinen Traumverstand gepflanzt. Von da an war
sie in meinen Träumen. Er war ein Traumdrifter. Hast du davon schon mal gehört,
von Traumdriftern?“
„Nein.“
„Das ist so eine Gabe, die in alten Geschichten den
Wolkensammlern zugeschrieben wird. Na, ich würd’s auch nicht glauben, wenn ich‘s
nicht selbst erlebt hätte.“
„Und was war das nun für eine Botschaft?“
„Es waren Bilder. Träume eben.“
Bilder und Träume. Tja, das war alles, was blieb. Und
jetzt redete er nicht mal weiter. Aber man merkte, dass er dem Kern der Sache
ganz nah war. Dass man ihn jetzt besser nicht drängelte. So hörte er eine Weile
dem Wasserplätschern zu und dem Raubvogel, der sich da oben immer noch die
Seele aus
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