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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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Mädchens in dieser Kultur nachzuempfinden und in Worte zu fassen, lange vor der neuen Frauenbewegung. »Es ist eine seltsame Erfahrung für jemand, der sich selbst für ein >Eins-Sein< hält, nunmehr auf sein Anders-Sein hingewiesen zu werden ... die Sphäre, der sie (das Mädchen) angehört, ist allseitig umschlossen, begrenzt und beherrscht von der männlichen Welt. So hoch sie sich auch aufreckt, so weit sie sich auch vorwagt, immer findet sie über ihrem Kopf eine Decke, sind um sie herum Wände, die ihr den Weg versperren. Für den Mann sind seine Götter im Himmel so weit entfernt, daß er in Wirklichkeit gar keine Götter kennt. Die Götter, unter denen das kleine Mädchen lebt, tragen Menschenantlitz.« 53
    Natürlich blieben diese Erkenntnisse und Aussagen nicht unwidersprochen in einer patriarchalischen Welt. Im Verlauf des Wiedererwachens der neuen Frauenbewegung Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre griff die Wissenschaft erneut die Frauenfrage auf, und die quasi als Naturrecht geltende und bis zu diesem Zeitpunkt so gesehene Andersartigkeit der Frau wurde Gegenstand sozialwissenschaftlicher und psychologischer Forschungen. 54 Im Verlauf dieser Forschungen wurde immens viel empirisches Material zusammengetragen, besonders in den USA, aber auch in Frankreich und der DDR. Die Flut der Untersuchungen hält nach wie vor an. Erkenntnisse ziehen neue Fragestellungen nach sich, Untersuchungsmöglichkeiten verbessern sich, Aspekte verändern sich - auch je nach politischem Bedarf.
    Insgesamt lassen sich aus dieser Fülle von Material drei verschiedene Sozialisationstheorien der empirischen Forschung herauskristallisieren, die von dem Postulat der gesellschaftlich bedingten unterschiedlichen Sozialisation von Mädchen und Buben ausgehen:
1. Soziales Lernen durch Belohnung und Strafe 
    Es wird davon ausgegangen, daß Mädchen-/Bubenverhalten aufgrund unterschiedlicher Erziehungsmethoden entsteht, je nachdem, welches Geschlecht das Kind hat. Dies läßt sich  bis in die früheste Zeit menschlichen Werdens zurückverfolgen.
    Ein Großteil der feministischen Literatur hängt dieser Theorie an. »Mädchentypisches« Verhalten wird demnach durch viele erzieherische Einflüsse, die nach dem Prinzip von Belohnung oder Ablehnung (Strafe) zur Geltung kommen, gelernt. Dabei geht die Literatur schlicht und einfach von erheblichen Unterschieden zwischen Mädchen und Buben aus, wie sie im landläufigen Sinn von jederfrau geglaubt und vertreten werden. Unterschiede werden als Faktum hingenommen und nicht näher auf ihr tatsächliches Vorhandensein überprüft. Die Genese der Unterschiede steht sofort im Mittelpunkt der Fragestellung. In detaillierten Feststellungen werden die Ursprünge dieser Unterschiede bis in die Zeit der Schwangerschaft, der Stillzeit, der Neugeborenenperiode zurückverfolgt. Daraus können dann einige Faktoren benannt werden, die als Ursache für späteres geschlechtstypisches Verhalten in Betracht kommen. U. Scheu und E. G. Belotti behandeln dies in ihren Büchern sehr eingehend. Ich beschränke mich darauf, hier nur die wesentlichsten Ergebnisse darzustellen. 55
    Ausgehend von dem Wissen, daß taktile Stimulation in der Neugeborenenphase bessere Bedingungen für die Entwicklung kognitiver und sozialer Fähigkeiten schafft 56 , wurde in Untersuchungen 57 festgestellt, daß Mütter neugeborene Jungen im Alter von drei Wochen in acht Stunden durchschnittlich 27 Minuten länger aus dem Bett und in den Arm nahmen, als sie es'mit Mädchen in demselben Alter tun, und die männlichen Säuglinge im Alter von drei Monaten immer noch 14 Minuten pro acht Stunden mehr hochnahmen. Kinder erfahren je nach ihrem Geschlecht unterschiedliche Stimulation. Die Mütter tendierten selbst bei Babys, die sich in gleichem Zustand befanden, dazu, die männlichen Babys durch taktile wie auch visuelle Stimulation mehr anzuregen und deren Aktivitätslevel zu erhöhen. Umgekehrt reagierten sie auf die weiblichen Babys mehr mit Imitation als bei den männlichen - indem sie die Bewegungen und Geräusche an sie zurückgaben. 58 U. Scheu zog daraus den Schluß, daß weibliche Babys akustisch auf sich selbst zurückgeworfen, nicht gefordert werden und wenig Neues lernen, während an männliche Säuglinge visuell Neues herangetragen wird, und  zwar in einer Lebensphase, in der der optischen Stimulation ein größerer Stellenwert zukommt als der akustischen. Einschränkungen der Mädchen konnten in den Bereichen freier Bewegung

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