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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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will ich mit den Kindern Spazierengehen. Eigentlich wollen sie nicht so recht - sie säßen lieber im Zimmer beim Puppenspielen, das heißt, Bernadette hat es so für sich und die Jüngeren entschieden.
    Nach einigem Diskutieren sind sie doch wenigstens zu bewegen, zum Spielplatz zu gehen - allerdings nur unter der Bedingung, daß die Puppen mitgenommen werden können. Ich stimme arglos zu. Jetzt will das erste Mal auch Anneli ihre Puppe auf einen Spaziergang mitnehmen. Vor dem Hof sammelt sich der Troß: die Kinder, die Puppen und die jeweiligen Puppenbuggies, Anneli mit ihrem eigenen Buggy für die Puppe. Wir bilden einen wahren Mütterfestzug! Und alle Puppen ordentlich angegurtet.
    Es geht sehr langsam vorwärts. Der Spielplatz ist im Wald gelegen. Die Mühe für die Kinder ist groß, aber geduldig und angestrengt schieben, zerren, heben sie die Buggies über Steine, Wurzeln, Fahrrinnen und Löcher im Waldboden. Anneli plagt sich ebenfalls gewaltig. Ich gehe hinter den Kindern, und es ist ein trauriger Anblick, wie sich die drei Mädchen anstrengen, die Buggies durch den Wald zu manövrieren.
    Anneli geht als erster die Geduld aus. Ich denke aber nicht daran, ihr den Wagen zu schieben. Sie soll selbst merken, warum sie jetzt nicht so, wie sie eigentlich möchte und wie es ihr in den Beinen juckt, hüpfen, springen, rennen und sich verstecken kann. Sie wird stinksauer, wirft den Wagen mit samt Puppe um und rennt weg. Sie ist ein wahres Energiebündel an Bewegung im Vergleich zu vorher und strahlt Freude, Freiheit und Selbstbewußtsein aus.
    Immer noch schieben Anna und Bernadette ihre Buggies (ich übrigens jetzt den von Anneli doch!). Es wirkt wie ein Gehgestell, an das die Kinder gefesselt sind, Hände fest am Griff, Blick nach unten auf den Boden gerichtet, um Hindernisse zu sehen. Die ganze Konzentration auf den Puppenwagen gelenkt. Er beansprucht Fähigkeiten und Sinne des Kindes total, das in disziplinierten Schritten gleichmäßig dahinter herschiebt. Die ganze Kraft des kleinen Kinderkörpers ist einzig und allein auf den Schiebevorgang gerichtet. Im Gegensatz dazu ist bei Anneli zu sehen, nachdem sie den Wagen seinem Schicksal überlassen hat, wie frei sie sich bewegt, was sie alles sieht, aufhebt und womit sie in dieser kurzen Zeit spielt. Es gibt Käfer, Blumen, Steine, Stecken, Kräuter, Schnecken, Würmer. Eine Menge aufregender Dinge, die die Sinne in Anspruch nehmen. Dafür blieb bei Bernadette und Anna keine Energie mehr übrig. Dies alles konnten sie nicht sehen. 44
13. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Es ist Sonntag, und wir sind an einem sehr idyllisch gelegenen Badeweiher, an dem die Kinder schon öfter hingebungsvoll und intensiv für sich allein spielten.
    Heute sind viele Menschen da - die Kinder spielen kaum, sondern beobachten fast ausschließlich die Leute. Bei genauerem Hinsehen stelle ich fest, daß sie nicht »die Leute« beobachten, sondern eigentlich nur die Männer, denn nur diese agieren, nur an diesen ist etwas zu sehen. Sie hüpfen, tauchen, schwimmen, springen, spielen Ball oder Fußball, rennen. Die Frauen sitzen, liegen, sonnen sich, ab und zu kreischt eine, wenn sie von Männern angespritzt wird, und ganz selten getraut sich auch eine zum Schwimmen ins Wasser. Aber auch dies läuft fast ungesehen ab, da die Frau ruhig ins Wasser gleitet. Auch ich bin so eine Frau; ich sitze bloß auf dem Bootssteg, passe auf die Kinder auf und sonne mich. Es entwickelt sich ein Gespräch mit anderen Badenden, und es kommt die unvermeidliche, schon oft gehörte Frage vor den Kindern: »Ja fahren Sie denn ganz allein in Urlaub? Ohne Ihren Mann?« Mit drei Kindern fühle ich mich eigentlich nicht » allein«. Mit dem begleitenden Ehemann wäre ich offenbar nicht mehr allein gewesen. Ob die Kinder das auch schon so verstehen, daß die Frau nur mit einem Mann an ihrer Seite ein vollständiges Wesen ist?
14. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Anneli hat sich die Fland an der Herdplatte ein wenig verbrannt und heult fürchterlich. Ich lasse sie weinen, aber nach etwa 30 Minuten erzähle ich ihr von Schorschi, der nicht annähernd so heulte wie sie, als seine Platzwunde am Kopf vom Arzt genäht wurde. Anneli sieht mich groß an und hält mit dem Weinen kurz inne.
    Da mischt Oma sich ein: »Ja, der Schorschi, das ist ja auch ein Bub.«
    In Annelis Augen blitzt es, sie sieht mich ganz befriedigt an und heult jetzt noch lauter weiter.
21. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Auf einem Berliner Spielplatz: Anneli

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