Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
Vom Netzwerk:
mehr.« Das stimmt.
    Aber alle anderen Erwachsenen auf dem Hof sind entsetzt über die »Bubenköpfe«. Immer wieder wird den Mädchen erzählt, daß sie jetzt wie die Buben aussähen. Der Bauer, selbst Vater von drei Töchtern, sagt zu den Kindern: »Na, wenigstens schaugds jetzt aus wia Buam, wennds schon koa seids.« In den nächsten Tagen, wann immer sie sich besonders stark und toll beim Spiel fühlen, sagen sie: »Jetzt samma Buam«, und dann wird ausgiebig »Buam« gespielt, das heißt, sie toben so herum wie sonst auch, wenn sie leicht überdreht sind. »Buam spielen« wird jedenfalls zu etwas Besonderem bei den Kindern.
    So geschieht es, daß Buben und Männer vollkommen ohne ihr eigenes Zutun für Mädchen zu hoch geschätzten Personen werden.
    Die Erwachsenen machen es möglich mit ihren vorgegebenen Wertschätzungen,
    Nach dem Abendessen kommt Anneli zu mir gelaufen und sprudelt heraus: »Ich habe so viel gegessen, daß ich so groß wie die Männer werde.«
    Bua oder Mann sein oder werden ist schon etwas sehr Erstrebenswertes im Leben eines kleinen Mädchens.
4. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Ich bin viel mit den drei Kindern in den Bergen unterwegs. Erstaunlicherweise halten die Kinder Wanderungen von mehreren Stunden durch, wenn unterwegs nur Spaß und Gaudi ist.
    Was mich aber immer überrascht: Bernadette und Anna versäumen nie, auf die Ausflüge ihre Puppen mitzunehmen, Selbst wenn Anna, die Jüngere, ihre Puppe einfach vergißt oder sie nicht nehmen will, weil Anneli, ihr geliebtes Vorbild, auch keine Puppe schleppt, dann wird sie von ihrer fünfjährigen Schwester dazu ermahnt - und schon ist die Puppe auch wieder mit von der Partie.
    Kein einziges Mal versuchen sie die Puppe an mich abzugeben; wie beschwerlich auch der Weg ist über Steine, Wurzeln und durch Gestrüpp, über Abhänge und Bäche - sie halten ihre Puppen immer fest auf dem Arm. Wie ein Teil ihres Körpers.
    Hilft diese frühzeitige Gewöhnung an das immerwährende »Kind-auf-dem-Arm-Haben« den Frauen später dazu, ihre zahlreichen Kinder einfach leichter zu ertragen als zum Beispiel ich?
    Wie sehr ist doch die ältere Schwester darauf bedacht, daß die jüngere nicht ausschert. Kinder erziehen sich ja bekanntlich gegenseitig. 43
    So lehrt eines Nachmittags Bernadette die beiden Kleinen ein
    Lied aus dem Kindergarten. Darin ist die Rede von »der Muada, die ein Popele wiegt« und »dem Vadda, der im Wald arbeitet« usw., usw. Der Schlußrefrain, der dann von allen dreien endlos wiederholt wird, lautet: »... und so soll die ganze Familie sein.«
    Ich bin wieder einmal erstaunt, über welche Kanäle die Klein-familienideologie von Vater, Mutter, Kind in die Vorstellungswelt der Kinder gelangt; wie sehr die gesellschaftlichen Institutionen ihre Helfer und Multiplikatoren in den ihnen überlassenen Kindern haben; wie früh bereits diese Art von Erziehung bei den Kleinen, die ihnen noch gar nicht unmittelbar ausgeliefert sind, weiterwirkt.
    Wir sitzen auf der Wiese und spielen irgendein Märchendurcheinander - gerade so, wie es die Phantasie der Kinder zuläßt. Sie suchen sich die passenden Rollen. Bernadette will die gute Königin sein, Anneli der Motorradifahrer und Anna demzufolge auch Motorradifahrer. Da schaltet sich Bernadette bei der Schwester wieder ein. Nein, sie müsse Prinzessin sein, etwas anderes käme nicht in Frage. Anna ist hin- und hergerissen. Jetzt befiehlt Bernadette noch einmal, und damit ist Annas ungewöhnlichen Autonomiebestrebungen ein Ende gesetzt. Gott sei Dank bleibt Anneli Motorradfahrer.
6. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Die Bluse ist dringend notwendig, das Wetter wird immer schöner, und wir haben nur noch warme Sachen. Ich gehe mit Anneli - ohne Locken - in einen Laden. Ich deute auf Anneli und sage: »Wir brauchen etwas Leichtes für oben.«
    Die Verkäuferin: »Darf's was Karierts für alle Tage sein oder was fürs Anzügerl?«
    Ist doch gleich was anderes und viel präziser als all die schönen, teuren, ohne zu fragen vorgelegten Mädchenblusen -jetzt wo Anneli als Bub geht.
    Wir wandern, im Sahrntal. Anneli sieht ganz nah vor sich die hohen Berge mit Schnee und stellt fest: »Da können wir nicht hinauf, bloß die Männer.« Auf die Frage, ob die Frauen das nicht auch könnten, antwortet sie: »Nein, nicht mit Anna und mir.« Aha, Frauen gibt es also bloß in der Verbindung mit Kindern, und was Kinder nicht können, können Frauen auch nicht!
    Dann betont sie noch einmal ausdrücklich, daß das nur

Weitere Kostenlose Bücher