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Typisch Mädchen

Typisch Mädchen

Titel: Typisch Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Grabrucker
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Männer können. Auf meine Entgegnung, daß ich doch öfter als Papa auf einen so hohen Berg gehe, bekomme ich zu hören: »Aber mit Anna und mir und du geht das nicht. Frauen tun das nicht - bloß Menschen.«
    Ich bin sprachlos. Es gibt also Männer, Menschen, die Verschiedenes können und tun, und dann gibt es Fraüen und Kinder, die all das nicht tun können.
8. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Die drei Kinder und ich spazieren zu einem schönen Spielplatz im Wald. Bernadette stürzt sich sofort auf die große Doppelschaukel. Nichts ist ihr wichtiger als das, sie will nicht einmal mitgehen, ein Eis in der Wirtschaft nebenan zu kaufen.
    Die beiden Kleinen lockt das Eis mehr. Wir bringen Bernadette trotzdem eine Tüte Eis mit. Sie ist aber nicht gewillt, die Schaukel deshalb zu verlassen, und sieht mir seelenruhig zu, als ich das für sie bestimmte Eis schlecke. Alles ist friedlich. Plötzlich ertönt lautes Stimmengewirr von Kindern. Drei ungefähr sechs- oder siebenjährige Buben rennen auf den Spielplatz zu.
    In dem Moment, in dem Bernadette die Buben wahrnimmt, hält sie sofort die Schaukel an und verläßt sie Hals über Kopf. Sie rennt zu mir und macht einen verwirrten, eingeschüchterten Eindruck. Ohne uns auch nur eines Blickes zu würdigen, schwingt sich einer der Buben auf die Schaukel und ruft die anderen zu kommen. Ich stehe mit den drei Mädchen unmittelbar neben der Schaukel. Bernadette hatte sie eben erst ver-lassen, als sie von diesem Sechsjährigen wie selbstverständlich für sich und seine Freunde in Anspruch genommen wird. Kein Zögern, kein Fragen, nicht der Hauch einer Unsicherheit darüber, wer jetzt schaukelt. Ich bin empört.
    Mein Griff nach der Schaukel und die Feststellung, daß jetzt erst mal Bernadette noch schaukeln wird, registriert er gar nicht, vielmehr brüllt er lauter als vorher nach den anderen. Wir sind für ihn einfach Luft. Ich rede auf Bernadette ein, sie solle doch wieder einsteigen, ich wär doch da, und schließlich müßten auch die anderen Kinder warten können, bis ein Kind äusgeschaukelt habe. Sie ist aber durch nichts auf der Welt mehr dazu zu bewegen, sich in die Schaukel zu setzen. Auch die beiden Kleinen, die vorher sehr brav darauf gewartet hatten, auch mit Schaukeln dranzukommen, wagen es jetzt nicht mehr. Keines meiner Mädchen will angesichts eines sechsjährigen Buben mehr den ursprünglichen Wunsch weiterverfolgen. Keine will sich trotz meiner Gegenwart mit den Buben anlegen. Da ich ihnen natürlich nicht meinen Willen aufzwingen kann, andererseits aber vermeiden will, daß wir auch noch bewundernd vor Mini-Machos stehen, lenke ich meine Mädchen mit irgend etwas ab, und wir verlassen den Spielplatz. Mittlerweile ist die Schaukel von allen drei Buben besetzt. In Sekundenschnelle war der Spielplatz jetzt beherrscht von männlichem Szenario und damit überfüllt. Für mich spiegelt sich in dieser kleinen Spielplatzsituation die ganze gesellschaftliche Wirklichkeit wider. Ein Mann taucht an einem Platz auf, der bisher von einer Frau gehalten wurde. Er nimmt keine Notiz von ihr, sieht sie überhaupt nicht, nimmt überhaupt nicht wahr, daß sie an dem Platz existent ist. Sie verläßt sofort bei der leisesten Andeutung seines Kommens ihren Platz und räumt ihn für den Mann.
    Sie läßt es erst gar nicht darauf ankommen, daß er sie wahrnehmen kann, daß er sich mit ihr auseinandersetzen muß. Sie scheut ihn, geht ihm aus dem Weg, und für ihn bleiben die feinen Plätze an den fetten Pfründen dieser Gesellschaft. Eine Anzahl von Männern braucht wesentlich mehr Platz und Raum als die gleiche Anzahl von Frauen. Mir war zum Heulen zumute, und ich hoffte nur, daß die Kleinen nicht allzuviel von dieser Situation verstanden hat-ten. Sie hatten aber mit großen Augen intensiv beobachtend daneben gestanden. Wie viele solcher Situationen mag die fünfjährige Bernadette schon beobachtet haben, daß sie heute so blitzschnell im für das Patriarchat richtigen Sinn reagierte?
    Meine armen Mädchen. Ich hatte großes Mitleid mit ihnen für ihre Zukunft und ungeheure Wut. So erklärte ich ihnen die Situation mit der Tatsache, daß sie daran sehen könnten, wie laut und dumm diese Buben seien. Sie wüßten nicht mal, daß beim Schaukeln ein Kind auf das andere warten müsse. Ich bin mir nicht sicher, ob meine verbalen Beteuerungen sie im Vergleich zum Geschehenen sehr beeindruckt haben.
12. Juni 1984 (2Jahre, 10 Monate)
    Strahlender Sonnenschein. Nach dem Nachmittagsschlaf

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