Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
wurden. Die jüngere Julia hatte wie ihre Mutter ein freizügiges Leben geführt und vergnügte sich mit politisch einflussreichen Männern, damit sie ihr helfen würden, ihre Mutter aus der Verbannung zurückzuholen und Livia zu stürzen. Agrippa Posthumus, ein Sonderling mit gewaltiger Körperkraft, dessen Hobby die Fischerei war, beschimpfte Livia des öfteren und soll auch Augustus mit wenig Respekt behandelt haben.
Bis zu Augustus’ Tod im Jahre 14 n. Chr. schien der Frieden in der kaiserlichen Familie äußerlich gewahrt zu sein. Als Augustus am Ende seines Lebens noch einmal den Wunsch hatte, den letzten männlichen Nachkommen seiner Tochter Julia zu besuchen, soll es zu einer ergreifenden Szene bei ihrem Zusammentreffen gekommen sein. In Rom verbreitete sich daraufhin das Gerücht, der greise Kaiser wolle seinen Enkel wieder nach Rom zurückholen. Kurz darauf starb Augustus, und wieder tauchten in Rom Gerüchte auf, dass Livia dafür verantwortlich sei. Vielleicht glaubte Livia, sie müsse durch schnelles Handeln die Lage unter Kontrolle bringen, damit ihr Sohn Tiberius kurz vor seinem Antritt der Nachfolge nicht alles verlieren würde.
Über die letzten Tage des Augustus hat der Schriftsteller Sueton, der als Leiter des kaiserlichen Geheimarchivs Zugangzu vertraulichen Unterlagen hatte, ausführlich berichtet. Er bestätigt nicht auch nur andeutungsweise, dass Livia ihren Gatten, wie die Gerüchte in Rom behaupteten, durch Gift beseitigt habe. Nur der Historiker Tacitus macht diesbezügliche Andeutungen:
„Es verschlimmerte sich die Krankheit des Augustus. Einige munkelten von einem Verbrechen seiner Gattin. Wie es sich auch immer verhalten mag, Tiberius wurde durch einen Eilbrief seiner Mutter aus Illyrien zurückgerufen. Ob er Augustus noch lebend sah, ist nicht festzustellen. Livia hat nämlich das Haus und die Straßen absperren lassen und gab von Zeit zu Zeit günstige Krankenberichte heraus, bis alles Nötige vorbereitet war und die Welt das Ableben Augustus und die Thronbesteigung des Tiberius zur gleichen Zeit erfuhr.“
Unmittelbar nach dem Tod des Augustus ereignete sich ein nachweisbarer Mord, der sicherlich auf das Konto der Livia geht. Aufgrund eines Befehls, den Augustus auf dem Sterbebett auf Anraten seiner Gattin erteilt hatte, sollte Agrippa Posthumus sofort getötet werden, wenn die Nachricht von seinem Tod bei ihm eingetroffen wäre. Nur unter großen Schwierigkeiten gelang es dem stärksten Hauptmann der Bewachungsmannschaft den kaiserlichen Prinzen zu töten. Als dem neuen Kaiser Tiberius der Vollzug dieses Befehls gemeldet wurde, erklärte Tiberius, er habe nichts befohlen und die Täter hätten sich vor dem Senat zu verantworten. Nur mit Mühe konnte Livia ihn zurückhalten, diese Angelegenheit vor den Senat zu bringen.
Von den antiken Historikern wird bestritten, dass Augustus je einen solchen Befehl erteilt hätte, weil er bei der Bestrafung von Familienmitgliedern nie die Todesstrafe angewandt habe. Außerdem wäre eine solche Maßnahme nicht mit der offen-kundigenVersöhnung vor seinem Tod in Einklang zu bringen. Denkbar ist aber, dass Augustus vor der Versöhnung mit seinem Enkel einen solchen Befehl im Geheimen gegeben hatte, um dem Römischen Reich einen neuen Bürgerkrieg zu ersparen, wenn ein Mann wie Agrippa Posthumus politisch aktiv werden würde. Nach der Versöhnung hätte Augustus den Befehl vermutlich wieder aufgehoben. Livia hingegen hätte ohne Wissen ihres Sohnes diesen aufgehobenen Geheimbefehl wieder in Kraft setzen und so die Tötung des Agrippa herbeiführen können.
Livia hatte mit der Übernahme des Kaiseramtes durch Tiberius das Ziel ihrer Familienpolitik erreicht. Aber der alte Zwist im Kaiserhaus, wer Nachfolger des neuen Kaisers werden würde, lebte wieder auf, an dem Intrigenspiel nahmen nun nur andere Personen teil. Im Hintergrund zog die Kaiserwitwe alle Fäden. In Rom hatten sich zwei Parteien gebildet, in deren Mittelpunkt Julias Tochter Agrippina und der Sohn des Tiberius, Drusus, standen. Die Volksgunst neigte sich eher Agrippina zu, weil sie mit dem beliebten Heerführer Germanicus verheiratet war. Die Eigenschaften ihres Vaters, des Generals Agrippa, traten so sichtbar bei ihr in Erscheinung, dass man sie als ein „Mannweib“ bezeichnet. Sie begleitete ihren Mann auch auf seinen Feldzügen. Als bei den Legionären in Xanten am Rhein eine Panik ausbrach, übernahm sie für ihren abwesenden Mann das Kommando und verhinderte das Schlimmste.
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