Über Alle Grenzen
Gebäude, die nur Karmapa unterstanden. Sie waren zwar weniger reich ausgestattet als die großen nationalen Heiligtümer, aber das war Nebensache. Ob Tourist oder Buddhist, jeder spürte die stärkste Verbindung zu ihm. Als wir in den Räumen umhergingen und ich später an seinem Bett eine Meditation leitete, hatten nur wenige trockene Augen. Karmapas Kraft war so nah, als wäre er selbst im Raum.
Je Khenpo
Punakha, die wärmere Hauptstadt des Landes im Winterhalbjahr, zeichnete sich durch uralte Gebäude aus ganz schweren Holzbalken aus. Hier begegneten wir Lopön Tsechu und beinahe auch dem König, dem wir alle sehr gerne gedankt hätten. Danach verbrachten wir einen Nachmittag bei Je Khenpo, dem höchsten Lama Bhutans. Er wohnte in dem riesigen Regierungspalast und hatte gesetzlich dieselbe Macht wie der König, nur eben auf geistiger Ebene. Die Menschen warteten oft jahrelang auf ein Treffen mit ihm. Wieder war es Lopön Tsechus Einfluss, der den Besuch ermöglichte. Die fast ständigen Verschiebungen seiner Gesichtsmuskeln zeigten seine Bedeutung. Wie auch Karmapa war er Sammelpunkt für mächtige geistige Kräfte. Er sprach mit einfachen und verständlichen Worten über Liebevolle Augen, über Vertrauen zur Liebe und Kraft des Raums. Als die Zeit für Fotos kam, klatschte er schnell, und drei Mönche trugen einen silbernen Teller herein, auf dem ein frisch geputztes Gebiss lag. Er setzte es ein, lächelte für die Aufnahmen, dann wurde es wieder hinausgetragen.
Vor dem Sitz der bhutanesischen Regierung
Unsere Gruppe hatte ein letztes Frühstück bei Topga Rinpoche und seiner kostbaren Frau Achi Deki. Sie war eine Prinzessin, machte aber selbst das Essen für uns. Dann fuhren die Busse westwärts zum Paro-Tal mit dem berühmten “Tigernest”, wo Guru Rinpoche sich als Diamantener Hängebauch gezeigt hatte. Schwarzrot, zornig und auf einer schwangeren Tigerin stehend, wird diese unglaublich kraftvolle Form des 2. Karmapa verkörpert, Karma Pakshi. Im Gegensatz zu anderen heiligen Stellen in Bhutan erreichten wir diese ohne Regen. Auch wenn wir sonst durchnässt und halb erfroren angekommen waren: Jeder Besuch war es vollkommen wert gewesen.
Der Pfad nach “Taktsang”, wie diese Stelle heißt, war atemberaubend, und Hannah und ich fanden den Ort noch spannender als beim letzten Mal. Wünsche an aufgeladenen Stellen setzen sich in künftigen Leben fort, und ich hielt alle meine Schüler sehr im Geist.
Zurück in Indien, wollten wir sofort nach Nepal. Wegen eines Streiks stand alles zehn Stunden in dem unmöglichen Grenzort Kakabhita still. Erst als Tomek das Militär rief, bekamen wir einen Bus nach Kathmandu. Unsere Raidwangener waren gerade aus Tibet zurückgekehrt. Obwohl sie tagelang auf Fahrgelegenheit gewartet hatten, war ihnen alles gelungen, was sie wollten. Sie hatten viel gelernt, auch über sich selbst, und freuten sich wie wir alle, diese Erfahrungen mit den Freunden zu teilen.
Diamantener Hängebauch
Am letzten Tag ehrten mich ein paar weiß gekleidete Verwirklicher. Sie waren im Jahr 1969 Zeugen unserer ersten Begegnung mit Karmapa gewesen. Beim Abstieg der sehr steilen - und geländerlosen - hinteren Steintreppe des Tempels war Karmapa damals mit einem breiten Lächeln und seinen über 100 Kilogramm einfach und völlig unerwartet auf meinen Rücken gesprungen. Meine Knie schlackerten zweimal, dann trug ich ihn den ganzen Weg hinunter. Vorher hatte er, auch aus heiterem Himmel, schnell meine Hand in den Rachen eines großen Steinlöwens gesteckt und dabei mein Gesicht genau angeschaut. Die Geschichte war inzwischen bekannt geworden, es gab keinen ähnlichen Fall. Das Fest, das die flotten weißgekleideten Verwirklicher uns gaben, sollte Karmapas Vertrauen in Hannah und mich feiern.
Das Tigernest
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Topga Rinpoche (1943-1997)
Der aus einer adligen Familie stammende Topga Yulgyal Rinpoche war ein Neffe des 16. Karmapa Rigpe Dorje. Bereits mit 16 Jahren wurde er in Tsurphu als “Vajra-Meister” eingesetzt. Im Jahre 1959 flüchtete er mit dem 16.Karmapa via Bhutan nach Sikkim. Ende der 60er Jahre heiratete er eine bhutanesische Prinzessin. Seit 1988 war er der Generalsekretär des “Karmapa Charitable Trust”, der die Verantwortung für die Angelegenheiten des Klosters Rumtek innehatte. Rinpoche wurde als außergewöhnlich gelehrt geschätzt und war sehr bewandert in Geschichte. Topga Rinpoche lehrte buddhistische Philosophie, buddhistische Erkenntnislehre und tibetische
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