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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Schüler dicht gedrängt in einem Pavillon etwas außerhalb der Stadt.
    Die Stelle hatte Vorgeschichte. Wir hatten den Keller des Gebäudes heimlich verwendet, als die Gewerkschaft “Solidarität” 1981 aufgerieben wurde. Es hatte eine Explosion von Gefühlen gegeben, als ich den Polen beim Bodhisattva-Gelübde riet, gegen die Unterdrückung zu kämpfen, aber dabei keinen persönlichen Groll zu hegen.
    Wie so oft wohnten wir in Krakau bei unseren Freunden Hannah und Krzysztof in der Altstadt. Die Straßen waren voller Stoßtruppen der Polizei, die wie Schweinchen aussahen. Sie konnten aber die uralten Freiheiten einer europäischen Universität nicht eindämmen. Die polnische Begegnung mit dem New Age war spannend zu beobachten. Es war wie das Verhalten des unbestechlichen Kindes gegenüber “des Kaisers neuen Kleidern”: Erst prüften sie höflich und nachdenklich, ob es eine grundlegende und folgerichtige Anschauung gäbe. Dann wollten sie etwas über die Mittel und deren Wirkungsweise hören, und als sie dabei kein klares Ziel finden konnten, wurde alles den zu erwartenden Verfallserscheinungen des Spätkapitalismus zugerechnet. Bedrückt, aber immer noch höflich, gingen sie davon. Philosophisch gesehen spannten sie das Pferd vor den Wagen und nicht umgekehrt.
    Während ich so gut wie möglich die Auftritte von ein paar Schamanen und Indianern rettete, indem ich ihre Erklärungen abrundete, freute ich mich immer mehr über die europäische Logik, die wenigstens folgerichtig ist. Nach einer letzten jüdisch-christlich geleiteten “geistigen” Begegnung auf der Wawelburg hatten wir unseren Teil für gegenseitiges Verständnis getan und konnten fröhlich verschwinden. Theisten und Buddhisten müssen sich nicht zu sehr vermischen.

    Dann folgte der Besuch in Südpolen. An mehreren Stellen waren die Dörfer der Tatra-Berge noch ungebrochenes Mittelalter. Josef aus Budapest holte uns ab, und wir fuhren südlich durch die damalige Tschechoslowakei. In den Klauen eines besonders sturen Kommunismus war alles abwechselnd langweilig und grau. Kurz nach der ungarischen Grenze stand ein Haus mit einer Stupa. Wir waren in diesem Land nicht die ersten, die einen lebenden Buddhismus verbreiteten: Alexander Körös, ein Ungar und offiziell anerkannter Bodhisattva, hatte vor hundert Jahren Tibet besucht.
    Obwohl die Deutschen bis zum letzten Mann gekämpft hatten in der Hoffnung auf eine weitere kriegsentscheidende Erfindung ihrer Forscher: die Altstadt Budapests sah aus, als hätten sie die Habsburger gerade erst verlassen. Während der 50er Jahre, in denen die Menschen dem Kommunismus noch trauen konnten, hatten sie den Stadtkern nach den alten Plänen wieder aufgebaut, so wie die Polen in Warschau und Danzig. Die Mitglieder des Studentenbundes, bei denen wir wohnten, beobachteten uns in den vier wichtigen Tagen kritisch. Sie wollten unter keinen Umständen einem gehemmten oder langweiligen Lehrer aufsitzen. Dann waren sie sich sicher, dass wir alle Ebenen des Lebens beherrschten, und dreißig Leute nahmen Zuflucht. Unter ihnen waren mehrere sehr stark, und der Anfang fühlte sich viel versprechend an.

    Zurück in Dänemark erfuhren wir, dass unsere erste geplante Russlandfahrt seit 1968 nicht möglich war. Die Visa wurden offensichtlich verzögert, wenn man wie wir im Zelt wohnen wollte, anstatt ihre teuren Hotels zu bezahlen. Da wir aber nicht warten konnten – die Programme in Schweden und Finnland waren schon ausgemacht –, stiegen Hannah, Maia, Pedro und ich in einen 735er BMW und rasten durch die atemberaubenden “Weißen Nächte” in den Norden. Nichts ist ergreifender als die Wochen des skandinavischen Sommers, in denen es niemals dunkel wird; sogar die Dickhäutigsten können das erleben.
    Anschließend fuhren wir auf Pedros Einladung hin vier Tage in unser Zentrum bei Malaga, und Ende des Monats flog Hannah nach Ostasien. Sie sollte für Jamgön Kongtrul Rinpoche in Malaysia übersetzen.
    Die Reisen gingen unermüdlich weiter. Nach zwei Wochen Kurs über die Vorbereitenden Übungen in Rödby wartete mein bis dahin größter Kurs über das Bewusste Sterben mit vierhundert Polen und hundertfünfzig Westeuropäern in Kuchary. Bescheiden wie wir sind, besetzten die Dänen sofort die ersten Reihen und bekamen sehr schnell das Zeichen. Dann verteilte ich sie um der guten Schwingung willen in dem großen Zelt, und die Deutschen rückten nach. Erst nachdem alle Ellenbogen-Kapitalisten ein schönes Loch im Kopf

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