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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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starben Menschen auf beiden Seiten, und abends brannten Häuser an den Berghängen.
    Obwohl die Behörden nicht wünschten, dass wir Westler ihren Bürgerkrieg sahen, besorgten Freunde mit Einfluss per Anruf die Erlaubnis im Sikkim House. So nahmen wir den ersten Bus nach Gangtok – Taxis fuhren schon seit Wochen nicht mehr.
    In Rumtek hatten wir starke Träume wie immer. Wir bemerkten eine gewisse Käuflichkeit bei mehreren der Laien, die um das Kloster wohnten. Wir vergaßen oft, wie wirtschaftlich abhängig sie von ihren Gönnern waren. In den Räumen, in denen wir Shamarpa und den anderen Linienhaltern begegneten – Situpa war wie üblich seit 1976 nicht da –, hörte man besonders deutlich Gewehrfeuer. An der Brücke zwischen Sikkim und Indien jagten die Gurkhas gerade einige Benzinlastwagen in die Luft. Das war das Ende des Straßenverkehrs in diesem Teil des Himalaya. Der dadurch nötige und erstaunlich billige Hubschrauberflug wurde eine schöne Erfahrung. Zum ersten Mal sahen wir die Berge, in denen wir jahrelang gewohnt hatten, von oben.
    In Bodhgaya verbrachten wir zwei Tage bei Kalu Rinpoche. Bokar Tulku hatte zusammen mit einigen Lamas aus Rumtek vor kurzem eine Gruppe Wissenschaftler der Stanford-Universität in Erstaunen versetzt. Der Dalai Lama hatte sie nach Rumtek geschickt, um “echte Verwirklicher” zu beobachten, und jetzt mussten sie erklären, was ihre Geräte alles aufgezeichnet hatten. Am wenigsten nachvollziehbar war, dass bei der “ Tumo -Praxis” die Hauttemperatur selbst unverändert bleibt. Die Ausstrahlung, die sogar Schnee schmelzen kann und auch unter kältesten Bedingungen das Leben erhält, zeigt sich erst zweieinhalb Zentimeter vom Körper entfernt und strahlt von dort aus. Als wir Rinpoche lobten, sagte er: “Ich habe nur ständig zu Karmapa gebetet.”
    In Kathmandu hielten Lopön Tsechu und Tenga Rinpoche das Kraftfeld. Ich lehrte vor allem für die Westler im Vajra-Hotel und in Thrangu Rinpoches Kloster. Er selbst gab gerade die Kagyü-Ngagdzö-Einweihung, den Schatz der Diamantweg-Übertragung. Dies war die letzte Möglichkeit für die nächsten Jahre. Da sich Nepal von China kaufen ließ und die Tibet-freundlichen Westler auswies, würde es lange dauern, bevor man wieder so viele klare Köpfe im Lande versammeln konnte.
    Ein Besuch bei dem vergnüglichen Khenpo Tsultrim Gyamtso, der bei Karmapas Europareise 1977 dabei gewesen war, klärte die Luft. Seine Schüler hatten jahrelang den ersten Preis gehalten, was Gerüchte über andere Lehrer betraf, offenbar zur Entspannung vom vielen Studieren. Da die Geschichten oft eher boshaft als spaßig waren, sahen wir mit Freude, wie haushoch er über all dem stand. Nach dem Essen nahm er uns mit auf das Dach seiner Schule nahe Bodhnath. Er erzählte, welcher Lama gerade was baute, und von oben gesehen war die Gegend noch beeindruckender, als wenn man zwischen den Tempeln umherging.
    Ein Mönch in Taiwan erklärte später, dass die Hälfte des Geldes für die Bauarbeiten von seiner Insel käme und dass ein Großteil eigentlich an Karmapa geschenkt worden sei. Auch die Lamas anderer Linien hatten inzwischen entdeckt, wie berühmt Karmapa unter den Chinesen war, und benutzten dann fröhlich seinen Namen bei ihren Sammlungen.
    Kurz danach fand in der Nähe leider ein großes Hindu-Treffen an einem ihrer wichtigsten Heiligtümer, wo wenig Wachstum war, statt. Obwohl die Rinpoches die vielen buddhistischen Neubauten kaum mit Mönchen würden auffüllen können, wurden die Teilnehmer darauf eifersüchtig. Gleichzeitig machten auch die Chinesen wieder gegen die Tibeter Druck, und so verbot die Regierung Nepals den Weiterbau der Tempel. Noch lange blieb es unklar, ob und wann die Arbeit fertig gestellt werden konnte.
    Hannah blieb noch für kurze Zeit in Neu Delhi, um den Linienhaltern zu helfen. Der Empfang, den mir siebzig Freunde morgens um sechs Uhr in Frankfurt am Flughafen bereiteten, war rührend. Die vielen Jahre auf der Autobahn waren keine Verschwendung gewesen, wir hatten die beste Familie überhaupt. Auf der anschließenden Fahrt wurde ein Vortrag in Freiburg die Basis zu meinem Buch “Mahamudra”.
    Im Mai fand dann ein allgemein-geistiger Kongress in Krakau mit einem Dutzend bekannter Lehrer statt, der Hannah und mir ein doppeltes Programm ermöglichte. Tagsüber liefen die Veranstaltungen im großen Kulturverein, danach wurden wir abgeholt, und von Mitternacht bis sechs oder sieben Uhr morgens hockten fünfhundert

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