Über Alle Grenzen
Schweiz und in Schwarzenberg mit vielen Freunden räumten wir den deutschen Verein auf, ein längst überfälliges Abspecken. Ein großes Treffen in dem braunen Schloss bei Bonn zeigte lautstark, dass idealistische Arbeit nur mit Freundschaft laufen kann. Unsere freudvollen Verwirklicher verstanden keineswegs die bürokratischen Mönche, die sich dort eingenistet und ihre Trägheit zur Norm gemacht hatten. Noch während die Wellen hochschlugen, fand die süße Sys die Lösung: Die damals etwa dreißig Zentren, die zu meinem Stil standen, sollten sich in Vereinen unter einem Dachverband zusammenschließen. So wurden auch die übrigen vier Gruppen nützlich: Wir haben seither nun endlich Stellen, in die wir die schwierigen Leute schicken können.
Adriana aus Kolumbien kam nach Ungarn und Italien mit. Was sie an meiner Seite lernte, sollte später viel Nutzen in Südamerika bringen. Nach dem Besuch der größten deutschen Zentren schickte mein griechischer Verleger ein Ticket nach Wien. Ich sollte für einen Tag die griechische Ausgabe von “Die Buddhas vom Dach der Welt” in Athen der Presse vorstellen. Obwohl sich ernstzunehmende geistige Bücher im Westen fast nur in kleinen Auflagen verkauften, wurde dieses sehr gut vermarktet.
Das größte buddhistische Ereignis 1989 war ohne Zweifel die große Kagyü-Ngagdzö-Einweihung im dänischen Zurückziehungszentrum Rödby: Sechshundert Teilnehmer blieben die ganzen drei Wochen lang, und Hunderte kamen und gingen. Die Einweihungsreihe wurde von Jamgön Kongtrul Rinpoche zum ersten Mal überhaupt und noch dazu im Westen gegeben. In seiner vorletzten Geburt als Lodrö Thaye hatte er die Übertragungstexte gesammelt, die Marpa, der Vater unserer Kagyü-Linien, vor 950 Jahren nach Tibet gebracht hatte. Jamgön Kongtrul hatte die Übertragung in diesem Leben 1976 von Karmapa in Nepal zusammen mit unseren Freunden der ersten Busfahrt erhalten. Dass es derselbe Segensstrom war, war leicht zu spüren. Obwohl wir ihm ernsthaft rieten, die Einweihungen als Geschenk und ohne die sonst üblichen Meditationsversprechen zu geben, die sich für den Westen so schlecht eignen, tat er es dennoch. Man sollte niemanden in die Lage bringen, entstandene Bände wegen zu eng auferlegter Verpflichtungen brechen zu müssen. Das kann die Lebenslänge empfindlicher Lehrer – aber auch die der Schüler – sehr beeinträchtigen.
Jamgön Kongtrul Rinpoche während der Kagyü Ngagdzö-Einweihung
Alles lief gut, und vor der letzten Zeremonie tat Rinpoche etwas, was wir nach dem Ösel-Tendzin-Skandal für unmöglich gehalten hatten: Er lobte einen weißen Lehrer. Er erklärte, wie viel Vertrauen die Linienhalter zu mir hätten, und dankte für die vielen Zentren und Schüler rund um die Welt. Da jetzt alle Schlachten gewonnen waren, konnte er reden, ohne sich politisch zu gefährden. Seine Worte rundeten die Arbeit einiger Jahre ab, und jeder fühlte sich gut. Für die harten Entscheidungen soll man unter seinen Vertrauten sein, aber der Sieg gehört allen.
Tenga Rinpoche hatte ihm bei den Einweihungen beigestanden. Im August beglückte er die Leute in dem schwierigen Schloss mit einer ähnlichen Aussage. Er betonte erst die Tiefe unserer Verbindung und bezeugte dann – was auch später im Rundbrief des Schlosses zu lesen war –, dass er zugegen gewesen war, als Karmapa mich versprechen ließ, in Deutschland und rund um die Welt für ihn zu lehren.
In Berlin hatten Michael und Gunda endlich eine gesunde Gruppe aus Deutschen und Polen aufgebaut, und so machte es wieder Sinn, die Stadt zu besuchen. Ein Opel Diesel von Hans und Martina aus Regensburg wartete für die Weiterfahrt. Sie hatten ihn mir geliehen, weil es damals kaum Benzin in Polen gab. Seither nahmen wir öfter den Zug: Während der zehn Tage im Land hatten wir zwei Unfälle, und das Auto wurde zweimal aufgebrochen.
Es war eine Leistung, dass der Wiederaufbau des Zentrums in Kuchary mit so geringen Mitteln noch vorangehen konnte: Meine Bergsteigerschüler zogen jetzt als Arbeitstrupps nach Norwegen und verdienten auf Dächern und Schornsteinen viel vom nötigen Geld.
Um einige Bonus-Tickets des letzten Jahres noch vor dem Verfall zu nutzen, flogen Tomek und ich von Wien über Chicago nach Los Angeles. Am frühen Morgen ging die Fahrt auf einem gebrauchten 750er BMW-Motorrad nach Norden, zunächst mit Watte in den Ohren gegen die Kälte. Um neun Uhr kauften wir auf einem Flohmarkt zwei gebrauchte Sturzhelme, eine Stunde danach alte
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