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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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…”

    “Phe!”

    Dr. Chen hatte Karmapa ein Tal geschenkt, das etwa eine Stunde nördlich von New York liegt. Er dachte, dass es sich für ein Kloster eignen würde. Während wir es inmitten der schönen Herbstfarben durchschritten, stellte Dr. Chen uns seine Pläne vor. Er träumte unter anderem von einem schönen Lotusteich. Die Vorstellung lag seinem chinesischen Herzen ganz nah. Wir Europäer waren sehr begeistert, aber für den tibetischen Geschmack war das Gelände zu eingeschränkt: Sie äußerten sich eher allgemein als zur Sache, ein klares Zeichen, dass sie höflich, aber nicht begeistert waren.
    Vor der Rückfahrt blieb Dr. Chens Jeep im Wald stecken. Nun machte ich meinen nordischen Vorvätern alle Ehre und bahnte uns einen Weg durch den Wald. Ich riss einige Bäume aus, brach andere ab, während die Mönche verschreckt davon sprangen. Als der Jeep wieder auf dem Pfad stand, hatten wir etwas Grundlegendes miteinander geteilt. Wir waren Freunde geworden.

    Unser einziger Ausflug bei diesem Besuch in Amerika war eine Fahrt nach Chicago, wohin uns Karmapa schickte. In der Indianersprache bedeutet der Name der Stadt “Kalter Wind”, und das traf zu. Vickie hatte dort einen Vortrag in die Wege geleitet. Der Bus wäre zu teuer gewesen, Autostopp zu kalt, aber glücklicherweise gibt es auch in Amerika Firmen, die Autos überführen. Also ging es mit einem untermotorisierten “Lackkasten” los.
    Die Weite Amerikas ergriff uns. Wir nahmen die nördliche Strecke über die Appalachen nach Chicago. Die letzten Stunden regnete es so stark, dass wir an den Autos, die wir überholten, fast vorbeischwammen. Chicago sah aus wie Europa nach dem Krieg. In einigen Stadtteilen stand höchstens noch eines von vier Häusern, der Rest war abgebrannt. Die Folge des immer gleichen Musters. Wenn eine schwarze Familie in eine Gegend zog, fielen die Hauspreise. Die Weißen zogen aus und dafür andere Schwarze ein. Weil sie keine Miete zahlten, ging nach und nach alles so kaputt, dass sie ausflippten und ihre Häuser abbrannten. Wenn genug zerstört war, kauften die Weißen das Land wieder und bauten Eigentumswohnungen. Das waren Wolkenkratzer mit so hohen Mieten, dass nur sie dort wohnen konnten. Den Preis bezahlten viele aber gern, um mit weniger Bedrohung leben zu können. An mehreren Stellen in Chicago sagten unsere Fahrer: “Wenn ihr hier aus dem Auto steigt und versucht, zu der Ampel dort unten zu gehen, werdet ihr das nicht überleben.” Wir hatten nie die Zeit, zu überprüfen, ob sie Recht hatten. So nah am Ghetto besuchten Menschen unterschiedlichster sozialer Herkunft meine Vorträge. Sehr zu meiner Verwunderung saßen alle unbeweglich da wie in einer Kirche, und ihre Fragen waren dem Lehrer in mir oft ein Gräuel. Sie zeigten, dass sie keine allgemeine Schulbildung besaßen.

    Das Auto für die Rückfahrt nach New York sollte in den Iran verschifft werden. Es hatte deshalb keine Nummernschilder, doch wir wollten es noch ein paar Tage benutzen. Im Stau auf der 5th Avenue, der teuersten Straße New Yorks, gab es einen furchtbaren Lärm hinter uns, der von Ampel zu Ampel nicht aufhörte. Als wir uns umdrehten, schauten wir direkt in das Megaphon eines Polizei-Busses. Sie wollten mit uns reden. Unsere Papiere bewiesen, dass das Auto nicht gestohlen war. Einer der Polizisten gefiel mir. Er war rothaarig, irischer Abstammung und sah frisch aus. Jedes Mal jedoch, wenn ich ihm auf die Schulter klopfte, zog er seinen Revolver halb aus dem Halfter. Er bemerkte dabei nicht einmal, was er tat.
    Die Polizei in New York hat übrigens genug zu tun. Ein paar Tage vorher hatten wir mit einem Mann aus dem Südstaat Virginia geredet, dessen Auto in Harlem eine Panne hatte. Während er das Rad wechselte, kamen zwei schwarze Herren, öffneten die Motorhaube und fingen an, die Batterie auszubauen. Er fragte, was sie da machten, und sie sagten: “Wenn du die Reifen nimmst, kriegen wir die Batterie.” Er musste seine Papiere zeigen, damit sie glaubten, dass es wirklich sein Auto war.

    Als unsere Flugtickets abliefen und wir von Karmapa Abschied nehmen mussten, zog er eine Handvoll großer Dollarscheine hervor und sagte: “Fliegt nach Hawaii und lehrt die 16. Karmapa-Meditation. Bringt sie dazu, mit dem Haschischrauchen aufzuhören.” Einen Augenblick baumelten die Scheine vor unserer Nase, dann zog er die Hand wieder zurück: “Nein, es ist wichtiger, dass ihr Kalu Rinpoche helft.”
    Gesagt - getan. Wir holten Kalu Rinpoche,

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