Über Alle Grenzen
Gesichter dabei schön lang geworden seien, und riet, vor allem Milarepas Lebensgeschichte zu lesen. Die geistigen Häuptlinge jener Zeit waren anwesend, solche, die die dicken Bücher schreiben. Vielleicht hatte ich hier Einfluss auf die nächste psychologische Welle Amerikas genommen: Sie drehte sich um den Tod und die Betreuung Sterbender. Bei dieser Gelegenheit musste es vielen aufgegangen sein, dass der Tod kein unerklärbares schwarzes Loch ist.
Ein mexikanisches Mädchen aus Santa Cruz brachte mir etwas über “weiße Magie” bei. Vier Jahre hatte sie wegen Schmuggels von Haschisch im Gefängnis gesessen und war dort durch die Tür Zeuge geworden, wie amerikanische Polizisten ihren mexikanischen Kollegen “stubenreine” Verhörmethoden beibrachten. Sehr beliebt war, die Köpfe der Leute unter Wasser zu drücken, bis sie fast ertranken. Diese Vorgehensweise ist dafür bekannt, sowohl die Erinnerung als auch die Bereitschaft zur Mitarbeit kräftig zu fördern. Zäh wie die Kleine war, hatte sie die Eindrücke wieder von sich abgeschüttelt und wohnte jetzt ganz nah am dortigen Zentrum. Während einer Reise in der Umgebung der Stadt fiel mir auf, dass sie oft in meinem Geist auftauchte. Als ich es ihr sagte, lachte sie nur. Sie öffnete einen kleinen Behälter und zeigte auf einen Knoten, den sie aus ihren und meinen Haaren gebunden hatte: “Das lernen wir zu Hause”, sagte sie.
Von San Francisco aus flog ich nach Mexico City, zu Cesar und der spannenden Japanerin Yoshiko. Cesar hatte in der mexikanischen Botschaft in Athen als Sekretär gearbeitet, als wir dort das Zentrum starteten. Ich hatte beiden Zuflucht gegeben, und sie waren auch zum Kurs mit Tenga Rinpoche in Rödby erschienen. Jetzt wollten sie Buddhas Lehre nach Mexiko bringen. Rührend wie immer, fuhren sie mich erst durch die Innenstadt und dann zum Patrizierhaus ihrer Familie, einem spanischen Bau mit Innenhof. Es war schon spät, doch alle waren wach geblieben. Ich fühlte hier einen Zusammenhalt, der an meine eigene Familie erinnerte.
Während der Nacht besuchten mich Mensch und Götter. Als wir am nächsten Morgen zu den Sonnen- und Mondtempeln der Azteken fuhren, kannte ich sie schon. Cesar war ein erstklassiger Fremdenführer. Wir sahen den Stein, auf dem noch pochende Menschenherzen, mit einem Steinmesser herausgeschnitten, der Sonne geopfert worden waren. An einer anderen Stelle hatten die Azteken eine Art Basketball gespielt, häufig mit den Köpfen eines früheren Teams. Einerseits konnten sie die Bewegung der meisten Planeten bis etwa 1988 vorausberechnen, andererseits wurde ihnen nachgesagt, während ihrer Rituale Tausende von Menschen geschlachtet zu haben. Wie schon erwähnt: Kulturen mit wenig Mitgefühl überleben nicht lange.
Cesar übersetzte gut und genau. Eine reiche, aber schwierige Amerikanerin war von der tugendhaften Gelugpa-Linie sehr angetan, ansonsten waren die Menschen in Mexiko wie überall. Sie wollten vieles hören und bereden, aber bis später Antonio und Eduardo Eindeutigkeit in ihren Zentren einsetzten, waren nur wenige fähig, sich der Sache langfristig zu widmen.
Danach jagten wir einen flotten Golf den malerischen Weg nach Vera Cruz, an die Atlantikküste. Mexico City zu verlassen dauerte lange. Die Stadt liegt in 2,4 Kilometern Höhe und war mit etwa 20 Millionen Einwohnern die größte der Welt. Wegen der vielen Abgase, die noch durch Zementstaub und menschlichen Abfall angereichert werden, konnte man die Luft sowohl schmecken als auch fühlen. Jogging war eine häufige Todesursache. Die großen Lastwagen fuhren oft ohne Schalldämpfung, und aufgrund der hohen Verdichtung der Motoren war man noch lange taub, nachdem man einen von ihnen überholt hatte.
Mayaheiligtum
Anfangs war es nicht leicht, die Aufmerksamkeit auf den Verkehr zu richten. Niemals zuvor hatte ich so einen Himmel gesehen - solche Wolken und Farben! Bald waren die Berge ebenso spannend, und es wurde eine traumhafte Fahrt. Glücklicherweise waren meine drei Mitfahrer furchtlos, und es gab keine Polizei. Vor allem hinter Puebla, wo die Autobahn endet, war es reinste Poesie, den kleinen, gut liegenden Wagen durch die Kurven zu bringen. Ich glaube nicht, dass viele Vera Cruz am Golf von Mexico schneller über Land erreicht haben als wir.
Bemerkenswert an der Stadt ist das Fort. Es stammt aus der Zeit von Cortez und ist gut erhalten. Die Schwingung der vielen spannenden Geschehnisse, die sich dort zugetragen hatten, war noch
Weitere Kostenlose Bücher