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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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kamen, zuviel wurden, zog ich zu Françine, wo nichts zu eng war. Monika aus Österreich stellte ihr Haus für die Belehrungen zur Verfügung. Viele Bewohner der Gegend waren deutschstämmig. Das war sicher der Grund, warum sie so auf die Güte der Belehrungen achteten, und ich war froh, wieder einmal alles geben zu können.
    Jede Bewegung durch dieses weite Land brauchte unglaublich viel Zeit. Eines Tages fuhren wir stundenlang nach Carcross, einem Wildwechsel, wo ich eine geplante Zurückziehungsstelle segnen sollte, einen alten Holzturm aus der Goldgräberzeit. Der Jeep blieb stehen, und mit “Dick-und-Doof”-ähnlichen Bewegungen kämpften wir uns über rutschige Eisflächen einen Hügel empor. Oben angekommen, war der eiskalte Wind so stark, dass man sich frei dagegen lehnen konnte, ohne umzufallen. Es war mindestens so kalt wie damals in Ladakh, als wir die sechs Doktrinen Naropas bekamen. Auf dem Rückweg hielten wir bei heißen Quellen an, und nach nordischer Art wälzten sich bald alle abwechselnd im Pulverschnee und im warmen Wasser.
    Zurück in Seattle wohnte ich bei Ann. Sie hatte eine große Kellerwohnung gemietet, und wie so viele Verwirklicherinnen unserer nordamerikanischen Zentren verdiente sie damals ihr Geld mit Putzen. Sie war rührend, hatte einige Vorträge in die Wege geleitet und zeigte mir das Nachtleben von Seattle. Nancy fuhr mich zurück nach Portland. Dort lenkte ich die Aufmerksamkeit der Leute auf Trinley Drukpas Zentrum. Er war es wert, unterstützt zu werden - zur Abwechslung einmal ein bescheidener, liebevoller und unpolitischer Lama. Im Anschluss an unsere erste gemeinsame Fahrt durch Europa hatte Kalu Rinpoche ihn vor fünf Jahren mit nach Amerika genommen.
    Dann fuhr ich mit den örtlichen Bussen die Küste entlang zu mehreren Grüppchen. Selten war bei einer Ankunft das Chillum leer oder der Joint kalt, und von den Leuten Menschen sah man vorwiegend Haar und Bart. Aber sie waren ehrlich, vertrauten ihrem grundlegenden Wesen und wollten lernen, um anderen zu helfen. Verglichen mit der glatten “Ich-Generation”, die sich zu dieser Zeit entwickelte, waren sie tief wie das Meer.
    Vicky aus Chicago arbeitete in einer geschützten Indianersiedlung im nördlichen Kalifornien. Einen Tag dort zu verbringen, wurde sehr lehrreich: Alle Reste von Indianer-Romantik, die ich noch hegte, gingen verloren. Ich hatte übrigens als Kind meistens Cowboy gespielt. Während dieser Monate begegnete ich mehreren Stämmen, und von Alaska bis Honduras waren sie allesamt ein trauriger Anblick. Alkohol war ihr größter Zerstörer, und wie bei den Schwarzen war alles die Schuld der Weißen. Erst einige Jahre später, als ich einige Medizinmänner und -frauen traf, bekam ich einen besseren Einblick in ihre Kultur. Auch gelang den Nordwest-Indianern in Vancouver offenbar seit den frühen 90er Jahren eine würdevolle Wiederbelebung ihrer alten Gebräuche, was schön zu sehen war. Aber wie weit hoch entwickelte Volksstämme wie die Mayas, Azteken oder Inkas auf den Gebieten der Astronomie und Kriegskunst auch waren: Kulturen, die kein Mitgefühl kennen und die eine staatlich verordnete Unterdrückung Wehrloser erlauben, sind immer gefallen - und zwar hart.

    Seit New York hatte ich Barbara Pettee einige Male angerufen, die wir bei Karmapas Besuch in Griechenland kennen gelernt hatten. Es war ihr Wunsch gewesen, dass der Hauptteil meiner Arbeit an der Westküste liegen sollte. Viele sagten, dass der Kultursprung zu den tibetischen Lehrern dort am größten gewesen sei, doch das leuchtete mir nicht ein. Im aufgeschlossenen Westen ist es auf Dauer unwichtig, was die Menschen essen oder tragen. Unterrichtet man aber hoch ausgebildete Westler und selbständige Leute in verantwortungsvollen Stellungen in derselben Weise wie Kinder oder Bauern in Tibet, würde das niemals greifen. Meine Empfehlung ist einfach: Sage und mache das gleiche, damit du Gerüchte vermeidest. Erzähle, was dir selbst einleuchtet, und teile deine Freude am Leben. Vergiss nie das Wichtigste, dass der Geist so ist wie der Raum: offen, klar und unbegrenzt, dass ihm alle guten Eigenschaften innewohnen. Mache immer Weg und Ziel klar, ermutige zu Fragen und behandle die Fragenden wie deine Helfer in der Arbeit. Zeige ihnen nur Grenzen, wenn sie die Zeit verschwenden oder bewusst versuchen, unangenehm zu sein, und verweise die ganz schwierigen Fälle auf die Interviews. Schließe mit einer Meditation, die den Segen der Linie schenkt. So gehen

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