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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Rinpoche und einige der Mönche waren sanft in ihren Sitzen eingeschlafen. Die Vorstellung - etwas Japanisches mit lang gezogenen Vokalen, plötzlichen dramatischen Bewegungen und sehr sonderbarer Mimik - sah sich keiner an. Die Gäste standen in kleinen Gruppen herum und schwätzten, so wie es die Amerikaner am liebsten tun. Wir trafen eine Menge Bekannte aus vielen Teilen der Welt, aber wieder fehlten die gewohnte Offenheit und Hingabe. Es schien, als wüsste niemand, was ein Karmapa ist.

    Zu Gast bei “Dharmadhatu”

    In das Zentrum zurückgekehrt, rief Karmapa uns zu sich, was die Leiter des Vereins zu einigen sauren Sprüchen veranlasste. Auf dem Weg die Treppe hoch standen mindestens sechzehn Wachen steif im Anzug herum.
    Als wir eintraten, fing Karmapa sofort zu reden an. Es waren sehr wichtige Dinge, die er uns unbedingt sagen wollte. Erst erzählte er von seinen “Kindern”, den Linienhaltern, die jetzt das Nest verlassen und seine Arbeit ausführen sollten. Sie seien noch unerfahren, und wir mussten ihm versprechen, auf sie aufzupassen und ihnen zu helfen. Als er das sagte, bekam ich zum ersten Mal ein sehr ungutes Gefühl. Ich sagte: “Das bedeutet aber nicht, dass du aufhören sollst, etwas zu tun.” Während er uns anschließend riet, einige Leute innerhalb der Linie zu meiden, tränte sein linkes Auge stark. Es hatte schon am Morgen angefangen, und ein Arzt kam, um es zu untersuchen. Karmapa ging für einen Augenblick hinaus und kam dann wieder. Es war ganz deutlich, dass er nicht wünschte, dass wir gingen. Als es wirklich nichts mehr zu sagen gab, fragten wir wie immer, wann wir wieder zu ihm kommen sollten. Er antwortete: “Kommt nach New York, wenn ihr könnt, und sonst …” - hier sah er uns in einer Weise an, die wir noch nie gesehen hatten, so als ob er wüsste, dass wir sehr unglücklich werden würden - “… sollt ihr nächstes Jahr am ersten Tag des elften Monats nach Rumtek kommen.” Karmapa las meinen Geist, der schon das Bild von einer dritten Pilgerfahrt entwarf, und sagte weiter: “Ihr könnt eure Freunde mitbringen.” Hannah vergewisserte sich, dass das Datum mit dem westlichen und nicht mit dem tibetischen Kalender übereinstimmte. Ich sprang auf, plötzlich tief beunruhigt, und rief: “Du musst uns versprechen, dann in Ordnung zu sein.” Während er nach links zum Fenster hinausschaute, antwortete er: “Alles wird zum Besten sein. Das verspreche ich euch.” Als wir auf halbem Weg die Treppe hinunter waren und den Kopf schon voller Pläne hatten, rief er uns zurück. “Es wäre gut für die Zukunft, wenn ihr und Trungpa Tulku euch in meiner Gegenwart treffen könntet”, sagte er. Da dieser vor sechs Uhr angekündigt war, versprachen wir, so lange zu warten. Als er aber um acht Uhr immer noch nicht aufgetaucht war, mussten wir weiter. Es war die letzte Möglichkeit, den Bus noch zu erreichen.

    Es tat gut, mit Hannah alleine zu sein, und während der Busfahrt nach New York nahm die Arbeit über den Atlantik Form an. In der großen Stadt kauften wir Kleider für unsere Freunde, die so viel Zeit in die Zentrumsarbeit gaben, dass sie sich oft selbst vergaßen. Das war schon linienüblich geworden, Karmapa hatte damit begonnen. Am lustigsten war es, wenn er Hannah tibetische Röcke schenkte, die ihr immer zu kurz waren, oder mich in Karatehemden steckte.

    Abschied von Karmapa

    In Mittel- und Osteuropa galt es jetzt, das schnelle Wachstum zu lenken. Da meine Schüler alles andere als kraftlos oder langweilig sind, kamen nun auch ihre Freunde. Die alles befreiende Sicht, dass der Geist an sich Furchtlosigkeit, selbst entstehende Freude und tatkräftige Liebe ist, schenkte riesiges Vertrauen und brachte Reichtum in ihr Leben. Dort, wo die Menschen gut übereinander und über ihre Lehrer redeten, wuchs die Menge der Zuhörer ständig. Die Grundlage für Wachstum ist Freundschaft, und wenn ich die Namen der tollen Frauen und Männer auflisten würde, die zum Besten aller so viel erreichen, würden die nächsten Seiten wie ein Telefonbuch aussehen. Stattdessen rate ich, sie in unseren Zentren kennen zu lernen; sie sprechen die Hauptsprachen, und ich vertraue ihnen voll.

    Bei der nächsten Fahrt in die USA im Winter 1981 bauten wir die entstandene Grundlage weiter aus. Wieder arbeitete ich bei Barry, unterrichtete in den Zentren an der Westküste, sprach im Radiosender von Lex und war in Toronto bei Cynthia, diesmal nur für eine Sendung. Dort auf dem Fernsehturm, dem damals

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