Über Alle Grenzen
kümmerte sich dann aber nicht um ihn. Anbei seine wenig asiatisch-höflichen Abschiedsworte an sie, als er nach Berlin umsiedelte: “Ihr seid stolz wie die Schwäne, jeder versucht seinen Hals höher zu recken als die anderen. Ihr seid wie Pferdeäpfel, glatt außen und innen morsch. Die Gruppe ist wie eine tote Kuh. Man sieht nur einmal hin, um festzustellen, dass sie tot ist.” Zentrumsarbeit, die auf Stolz und Widerwillen fußt, führt zu nichts. Erst 1986 entstand um Ulla und Detlev unsere frische neue Gruppe, die heute Karmapa in München vertritt.
Die Arbeit in Polen bot fast unbegrenzte Möglichkeiten. Da das Land so arm ist, dass die Geldgurus nichts holen konnten, war Buddhismus beinahe das einzige Angebot. Dadurch wurde viel Verwirrung vermieden. Wer sich gegen die Kommunisten auflehnte und nicht vom Katholizismus das Gehirn gewaschen bekommen hatte, zeigte oft ein spannendes Gemisch von Offenheit und Reife. So können die Polen Nützliches entgegennehmen und gleichzeitig störende Einwirkungen ausfiltern. Ein Dutzend meiner starken Schüler sorgt dort immer besser dafür, dass alles eindeutig bleibt.
Empfang in Polen
Wenn ich zehn Tage in Polen bin, nehmen rund fünfhundert Menschen Zuflucht. Die Veranstaltungen hörten jahrelang erst morgens gegen sechs Uhr auf, wenn ich bereits auf den Leuten einschlief, die ich segnete. Um elf Uhr waren sie dann alle wieder da. Ihre unglaubliche Offenheit ermöglichte alles, und oft folgten uns hundert Freunde durchs Land. Ab 1986 besuchten Beate und Manfred aus Schwenningen für einige Jahre die polnischen Zentren. Sie knüpften viele der westlichen Bände, die die natürliche Entwicklung mehrerer Zentren ermöglicht haben. Die Polen, die jetzt im Westen wohnen, haben oft die erfreuliche Fähigkeit zu geben, ohne etwas dafür zu erwarten. Mit solchen Eigenschaften übernehmen sie schnell wichtige Arbeitsbereiche im Leben ihrer Zentren. Ein gutes Beispiel dafür ist Tomek, den wir an dem Tag nach Dänemark holten, als die Polizei in Danzig an seine Tür klopfte.
Beru Khyentse Rinpoche in Polen
Leider fanden wir immer weniger Zeit für das nördliche Skandinavien. Aus diesem Grund hatten wir zwei erwachsene tibetische Lamas nach Oslo und Stockholm eingeladen und entschuldigten uns dann, dass wir ihren klassischen Unterricht nicht stören wollten und deshalb seltener kämen. In Wirklichkeit waren die Entfernungen zu weit, und es gab einfach zu wenig offene Menschen. Auch wenn Hannah und ich wahrscheinlich wieder nordische Gene für unsere Wiedergeburten suchen werden, zieht uns die Arbeit ständig in die Mitte Europas.
Südlich der Alpen fällt die geistige Spannkraft. Das katholische und orthodoxe Südeuropa besitzt wenig Boden für Wachstum. Die Leute sind entweder glatt, abergläubisch, oder wollen alles auf einmal. Wie üblich rund um die Welt fördern auch dort Mitteleuropäer die Entwicklung.
An einem schönen Frühlingstag rief Alex aus Wien an. Er war seit 1976 mein Freund gewesen. Als wir ein Zentrum in Athen aufbauten, war sein Vater dort Handelsberater. In Wien hatten damals alle buddhistischen Gruppen ihre Räume im gleichen Haus. Also wusste jeder, was die anderen machten. Alex ging beim Erzählen fast durch die Decke. Dharmadhatu in Boulder hatte einen Steckbrief von mir an ihre Gruppen geschickt. Er wurde ergänzt durch ein übrigens recht schmeichelhaftes Foto im Jeanshemd und der Meldung, dass es überall aufzuhängen sei und nicht abgehängt werden dürfe. Was ihr “Regent” hier verfasst hatte, war keine Kleinigkeit.
Unter anderen Schmeicheleien behauptete er, ich sei “Rudra”, was im Buddhismus der Vorstellung von etwas absolut Bösem am nächsten kommt. Außerdem sei ich humorlos und würde sowohl den Wünschen Buddhas als auch denen von Karmapa zuwiderhandeln. Natürlich hatten die Dharmadhatus schon Grund, sauer zu sein. Wir Dänen können einfach Gestelztes nicht ernst nehmen. Es ist uns unmöglich, Witze zu verkneifen, wenn wir unechter oder sich selbst zu wichtig nehmender Geistigkeit ausgesetzt werden. Ich war aber nicht feindselig gewesen. Die wenigen Male, die sie auf mich gestoßen waren, hatte ich mich fein benommen, wenn auch nicht zu ihrem Vorteil. Als sie zum Beispiel um 1980 herum versuchten, einen Vertreter Trungpa Tulkus in Europa als schon anerkannten Lehrer einzuführen, sicherten sie sich nicht bei uns ab. Natürlich riefen unsere Freunde an und fragten, was sie von dem so fein bestempelten und groß
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