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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Institut leitete, unterstützt. Dann hatten sie mit der den Bewohnern des Schlosses eigenen Tüchtigkeit genau die Schüler Ayang Tulkus als Beobachter eingeladen, die bei dieser Begegnung unser Thema sein sollten. Hannah und ich standen also einer lautstarken Front des Misstrauens gegenüber, und eigentlich war es unsere eigene Schuld. Wer sonst hatte ihnen beigebracht, dass alles Tibetische fehlerfrei sei? Leider mussten wir hart durchschneiden. Karmapas Wünsche und die zehn Jahre auf der Autobahn ließen keine andere Wahl. Ich knackte die erforderliche Zahl Eier, und wir bekamen das erwünschte Omelett.
    Die Vorstandsmitglieder, die nicht verstehen konnten, dass es um die Linie und nicht um uns ging, boten schließlich ihren Rücktritt an, der von Lama Jigmela bei nächster Gelegenheit angenommen wurde. Seitdem passen wir besser auf, welche Lehrer unsere Zentren besuchen. Danach trennten sich von uns als Einzige im deutschsprachigen Gebiet das erwähnte Schloss, Bremen und die alte Gruppe in München, die uns jede Menge schwierige Leute abnahmen. Hamburg und Köln verloren durch die Geschichte mehrere Mitglieder, und viele hörten leider mit der Praxis von Ayang Tulkus erstklassigem Bewussten Sterben auf. Alles in allem kamen wir aber billig davon. In den von Woodstock geführten Zentren Amerikas, die vielleicht mit ihren Angriffen auf Künzig Shamarpa zu beschäftigt waren und diese Auseinandersetzung vermieden, taucht das Problem der klaren Übertragung innerhalb einer Linie noch heute in regelmäßigen Abständen auf.
    Die Zentren, die sich damit ins Abseits gestellt hatten, brachten anstatt Wachstum umso mehr Gerüchte. Diese dämpften zwar mitunter die Stimmung einiger, waren aber auch sehr unterhaltsam. Nichts hält so frisch wie ein paar saure Gegner. Sie sind oft die besten Lehrer.
    Im Herbst 1983 gab es also gute Gründe, in Europa zu bleiben. Vieles musste noch in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Das Gefühl war aber jetzt viel leichter. Mit denjenigen, die uns verließen, waren wir scheinbar einen großen Teil unserer “Pflegefälle” losgeworden.
    Wie es sich gehört, wuchs der Buddhismus durch das ganze Durcheinander. Karmapas Schüler lernten, selbst Stellung zu beziehen und Verantwortung zu übernehmen. Jetzt erwarteten sie weniger, dass Menschen aus fremden Erdteilen ihnen erklärten, was vor der eigenen Nase geschah. So vermieden wir das Sektentum und verbinden seitdem immer besser den demokratisch-kritischen Verstand des Westens mit der Einsicht des Diamantwegs über die Natur des Geistes.

    Nachdem sich Karmapas “Firma” so ein paar Kilo hinderliches Fett abgespeckt hatte, entstand im Winter 1984 erneut eine Gelegenheit, sich der spannenden Möglichkeiten anderer Weltteile anzunehmen. Wieder einmal landeten einige Freunde und ich in New York. Wo kann man besser den Geist mit denen seiner Schüler mischen als auf den langen Strecken über das große Land? Enge Verbindungen über den Atlantik würden auch bereichernd wirken. Die Amerikaner sollten von unserem starken Zusammenhalt lernen und wir von ihrer Wendigkeit. Da sich die Kulturen ähneln, kann vieles sofort übernommen und miteinander geteilt werden. Dies gelingt seit 1991 mit dem neuen Zentrum in San Francisco immer besser.

    In Kentucky bei unseren Freunden Bob und Melanie wurden Edita und ich von markerschütternden Schreien geweckt. Melanie stand im Zimmer mit ihrem sechs Wochen alten Kind, das in der Nacht gestorben war. Obwohl der Körper schon ganz kalt war, machte ich die Bewusstseinsübertragung, und alle schauten verdutzt dem ungewöhnlichen Geschehen zu: Ein 50 Zentimeter langer Strang aus festem Schaum kam aus der Nase des Kindes.
    Danach verzögerten die Güte amerikanischer Autos und alte karmische Bände die Fahrt. Auf dem Weg nach Kalifornien wollten wir bei den dortigen Gruppen anhalten, aber es erschienen nur wenige zu den Vorträgen. In der Nähe von Santa Rosa in New Mexico brach die Kurbelwelle eines der beiden Autos. Anscheinend hatten sie zuviel Blei in den Stahl gemischt und dadurch das “Ableben” vorangetrieben. Wir schafften es gerade noch, in eine Werkstatt hineinzurollen. Sie lag mitten in der Hochsteppe im strahlenden Sonnenlicht. Während ich die Lässigkeit bewunderte, mit der ein großer, geladener Revolver mitten in der Werkzeugkiste lag, erinnerte ich mich, dass wir auch Meditationsgruppen in diesem Teil des Landes hatten. Sowohl Karmapa als auch Kalu Rinpoche waren hier gewesen. Mein

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