Über Boxen
weiblich – konnte ihn lange von dem abhalten, was er wollte.»
Doch überall in den Vereinigten Staaten, im Norden nicht weniger als im Süden, verschlechterten sich die Bedingungen für schwarze Athleten. Die bescheidenen Fortschritte vom Ende des 19. Jahrhunderts wurden zunichtegemacht durch die Jim-Crow-Gesetze, die es zum Beispiel weißen Profibaseballern gestatteten, schwarze Rivalen vom Feld zu drängen, und weißen Jockeys erlaubten, schwarzen Jockeys die Lizenz zu entziehen. Selbst der amerikanische Radfahrerverband League of American Wheelmen , vermerkt Ward süßsauer, verbannte schwarze Radfahrer aus seinen Reihen. Einzig das Boxen blieb offen für die «Negroes» , aber nur dann, wenn sie gegen ihresgleichen kämpften und keine Titelkämpfe (und die damit verbundenen größeren Börsen) anstrebten. 1895 warnte der prominente Journalist Charles A. Dana, Redakteur der «New York Sun», seine Leser: «Wir sind umzingelt und bedroht. Bei allen Sportarten drängt sich der schwarze Mann immer rascher in die vordersten Reihen, insbesondere auf dem Gebiet des Faustkampfes. Wir sind umzingelt von Schwarzen, die gegen die weiße Überlegenheit revoltieren.»
Dennoch gelang es Jack Johnson zu Anfang des neuen Jahrhunderts, in San Francisco gegen weiße Boxer anzutreten, und er scheint von Anfang an ein verblüffend origineller, eleganter, wendiger und scharfsinnig analysierender Konterboxer gewesen zu sein: «Wenn ich einen Boxer allmählich zermürbe, wenn ich zulasse, dass er sich selbst ermüdet, wenn ich ihm, sobald er mir zu nahe kommt, eine Linke verpasse und dann klammere oder einen Aufwärtshaken schlage, kann ich länger durchhalten und trage keinerlei Spuren davon.» Abgesehen von gewissen Spuren, die Muhammad Ali sehr wohl davongetragen hat, ist dies eine Variante der berühmten Rope-a-dope -Taktik, mit der Ali im Oktober 1974 in Zaire in einem der erstaunlichsten Titelkämpfe der Boxgeschichte seinen Schwergewichtstitel von George Foreman zurückgeholt hat. Es ist nicht verwunderlich, dass Jack Johnsons erstes Vorbild der Konterboxer Jim Corbett mit seinem «systematischen» Boxstil war, im Gegensatz zu den steif dastehenden, plump aggressiven Schwergewichtlern jener Zeit, die einzig den nach vorn gerichteten Angriff kannten und sich nicht verteidigten, schwerfällige, starke Männer, die nur nach einer Stelle suchten, wo sie ihre Schwinger platzieren konnten. ( 1926 , im ersten ihrer berühmten Titelkämpfe, sollte Gene Tunney den krakeelenden Angreifer Jack Dempsey mit einer ähnlich «systematischen» Strategie verwirren, indem er sogar zuschlug, wenn er zurückwich, «dahinglitt wie ein guter Eisläufer», 13 jede der zehn Runden nach Punkten gewann und Dempsey den Titel abnahm.) Auf dem ersten Stückchen Film, das Jack Johnson im Ring zeigt, dem zerkratzten Rest eines Stummfilms von Johnsons Titelkampf gegen Tommy Burns1908 , sehen wir einen großen, überraschend eleganten Schwergewichtler mit gemeißeltem Oberkörper, schmaler Taille und schlanken Beinen; Johnsons Kopf ist glatt rasiert, und seine Gesichtszüge könnte man durchaus als empfindsam beschreiben. Auf den bekannten Fotos sieht Johnson nicht nur wie ein Schwergewichtsboxer aus, sondern auch wie ein Tänzer. (Mit 1,83 Meter und etwa 91 Kilogramm war Johnson nach heutigen Begriffen ein «kleines Schwergewicht». Körpergröße und Kraft nahmen in dieser Gewichtsklasse nach 1962 dramatisch zu, als der überdimensionierte Sonny Liston dem viel kleineren Floyd Patterson in dem wohl unerträglichsten einseitigen Titelkampf unter Schwergewichtlern den Titel abnahm.) Zwei Jahre später sollte Johnson bei seiner Titelverteidigung gegen den viel größeren ehemaligen Champion Jim Jeffries ähnliche Geschicklichkeit an den Tag legen (trotz der irritierenden Anwesenheit seines alten Vorbilds, des «Gentleman Jim» Corbett, der ständig vor dem Ring auf und ab ging und ihm rassistische Beleidigungen zuschrie). Erst im letzten großen Kampf seiner Karriere gegen die «weiße Hoffnung», den 1,98 Meter großen und 104 Kilogramm schweren Riesen Jess Willard in Havanna1915 , ließ Johnsons Konterboxstil ihn im Stich. Es gibt ein berühmtes oder vielmehr berüchtigtes Foto, das Jack Johnson auf dem Rücken liegend zeigt, mit der behandschuhten Rechten schützt er seine Augen vor der blendenden karibischen Sonne. Später behauptete er, den Kampf freiwillig verloren zu haben.
[Johnson scheint unmittelbar nach dem Kampf eingestanden zu haben,
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