Über Boxen
Kampf Du Bois anspielt, da Johnsons große Kämpfe 1913 und 1914 in Paris und Buenos Aires stattfanden. Eher unwahrscheinlich, dass Du Bois diese Kämpfe gesehen hat, und womöglich hat er Johnson überhaupt nie kämpfen sehen, nach den etwas allgemein gehaltenen Formulierungen zu urteilen, mit denen er Johnsons Kampfstil schildert.) Geoffrey Ward schreibt, beim Recherchieren für die Biografie habe er von Jack Johnson selbst keine anderen «Unterlagen» zur Verfügung gehabt als dessen selbstbeweihräuchernde Autobiografie «In the Ring and Out» , und große Teile seines Buches gründeten sich auf zeitgenössische Zeitungsberichte, die vor «rassistischer Verachtung» nur so trieften. Um etwas «von der Atmosphäre einer Welt einzufangen, in der Johnson es sich nicht nehmen ließ, frei und selbstständig zu bleiben», enthält sich Ward der «anachronistischen Bezeichnung ‹Afroamerikaner›» und verwendet den Begriff, mit dem sich die Weißen aus Johnsons Generation nur zähneknirschend abfanden und den die Schwarzen am liebsten gedruckt sahen: «Negro».
Arthur John Johnson wurde am 31.3.1878 in Galveston, Texas, geboren; beide Eltern waren ehemalige Sklaven. Von den neun Kindern der Johnsons erreichten nur vier das Erwachsenenalter. Jack war das dritte Kind und stand als erster Sohn von Anfang an im Mittelpunkt der familiären Aufmerksamkeit, allerdings scheint er im Lauf der Zeit und sein Leben lang in praktisch jeder Situation, auf jeder Bühne, in jeder Menschenansammlung im Mittelpunkt gestanden zu haben, da er von Natur aus charismatisch, imposant und unbekümmert war wie Jahrzehnte später Cassius Clay/Muhammad Ali. Wie Ali war Jack Johnson ein «fröhlicher Fabulierer», der «unermüdlich an seiner eigenen Legende strickte, ein mächtiger Märchenerzähler in der Wildwesttradition seines Heimatstaats» und gleichzeitig ein begabter Athlet, der das Boxen begierig als Möglichkeit aufgriff, Aufmerksamkeit zu erlangen und gleichzeitig scheinbar «leicht» an Geld zu kommen. Anders als Ali, dem einst ein befremdlicher Army- IQ von 78 bescheinigt worden war und von dem es hieß, er habe nur einen Bruchteil dessen lesen können, was sich im Lauf der Jahre an Lob und Kritik rund um seine Person angehäuft hatte, scheint Johnson ein ungewöhnlich intelligenter, wortgewandter und bis zu einem gewissen Grad gebildeter Mann gewesen zu sein, und dass er sich in der Jim-Crow-Ära 9 im Süden nach oben hatte arbeiten können, grenzt an ein Wunder.
[Weiße Journalisten wunderten sich immer über Jack Johnson, den «vielschichtigen, quecksilbrigen Mann hinter dem Grinsen». 10 Ein Reporter des «American» aus Baltimore schreibt 1910:
«… sobald er in seinen Privaträumen war, wurde der Neger ein anderer Mensch. Er wies einen Assistenten an, das Grammofon aufzuziehen, und eine Stunde lang war das Hotel erfüllt von Opernmusik, ausgewählten Arien von Caruso und anderen … Kein einziger Ragtime darunter … In einer anderen Ecke stand eine riesige Bassgeige. Jemand fragte beiläufig, wer die denn spiele, und Johnson sagte: «Ich. Wollen Sie mal was hören?» 11
Ein anderer Beobachter notiert, dass Johnson auch in der Welt der Bücher und Schriftsteller zu Hause ist:
Er schmökerte in Büchern aller Art – Belletristik, Wissenschaft, Kunst und Geschichte; er kann in drei Sprachen lesen, Englisch, Französisch und Spanisch. Er ist vertraut mit Shakespeares Werken … Als wir über Bücher sprachen und die Namen Alexandre Dumas und Victor Hugo fielen, wurde Johnson noch lebhafter, denn diese beiden gehören zu seinen Lieblingsautoren … Obwohl er die Schule noch vor der Highschool abgebrochen hat, ist er umfassend gebildet … Er ist ein durchaus fähiger Musiker, sein Lieblingsinstrument ist die Bassgeige, die er sehr begabt spielt. 12 ]
Johnson empfand sich selbst als Individuum, nicht als Mitglied einer ethnischen Minderheit, und erklärte dies damit, dass er in der umtriebigen Hafenstadt Galveston geboren war, die es «mit der Rassentrennung nicht so genau nahm» wie die kleinen und größeren Städte im Landesinneren und im Süden. Lange bevor er der erste schwarze Schwergewichtschampion wurde, sah sich Jack Johnson schon als Held, und er hätte seinem Biografen aus tiefstem Herzen beigepflichtet, der da schreibt: «Johnson verkörperte den amerikanischen Individualismus in seiner reinsten Form; nichts – kein Gesetz, keine Gewohnheitsrecht, kein Mensch, sei er weiß oder schwarz, männlich oder
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