Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über Boxen

Über Boxen

Titel: Über Boxen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates
Vom Netzwerk:
dass er rechtmäßig verloren hatte. («Ich bin gegen einen großen Jungen angetreten, und er hat mich fertiggemacht. Ich hätte nie geglaubt, dass es unter den Lebenden einen Menschen gibt, der mit mir fünfzehn Runden durchsteht, nachdem ich mich über ihn hergemacht habe.» 14 ) Dennoch behauptete er später, er habe den Kampf absichtlich verloren; als Gegenleistung sei ihm versprochen worden, er dürfe in die Vereinigten Staaten zurückkehren, ohne seine Gefängnisstrafe absitzen zu müssen. (1913 war er wegen eines Vergehens gegen den Mann Act verurteilt worden.) Offenbar wurde aus dem Handel nichts, da Johnson seine Strafe sehr wohl abbüßte, und so bleibt der Kampf weiterhin geheimnisumwittert und offen für Spekulationen. Falls Johnson sich tatsächlich vorgenommen hatte zu verlieren, hat er in der glühenden kubanischen Sonne über mehr als zwanzig Runden einen überzeugenden Kampf geliefert, bis er schließlich zusehends ermüdete und seine Kräfte nachließen. Das berühmte Foto, auf dem Johnson am Ende der sechsundzwanzigsten Runde auf dem Rücken liegt (als höbe er schwach die behandschuhte Hand, um die Augen vor der blendenden Sonne zu schützen), sieht allerdings tatsächlich irgendwie nach Betrug aus. (1965 spielte Sonny Liston diese Szene auf schaurige Weise nach, als er in der ersten Runde seines berüchtigten Rückkampfes gegen den Schwergewichtschampion Muhammad Ali durch einen zweifelhaften phantom punch k . o. geschlagen wurde, der so gar nicht danach aussah, als könnte er ihn den Kampf kosten. Aber Liston hatte vermutlich keine postmoderne Anspielung auf seinen großen Vorgänger im Sinn.)]
    Als Schwergewichtschampion erfreute sich Johnson einer Berühmtheit, wie sie in der amerikanischen Geschichte in diesem Ausmaß vorher kein Schwarzergenossen hatte; immer wieder zeigten die Medien Fotos mit seinem hübschen, lächelnden Gesicht, und er sonnte sich in dieser Aufmerksamkeit. Wie Muhammad Ali, dessen hübsches, lächelndes Gesicht in Teilen der Welt wiedererkannt wurde, wo man ein Bild des US -Präsidenten nicht erkannte, wurde Johnson zu einer Kultfigur seiner Rasse, «der größte Farbige aller Zeiten».
    [Sieben Jahrzehnte später fiel dem sechzehnjährigen Mike Tyson im Trainingslager des legendären Cus D’Amato in Catskill etwas auf:
    Tyson war ein Bewunderer von Jack Johnson, dem berühmtesten schwarzen Schwergewichtschampion, der Schläge mit der geöffneten Hand auffing, während des Kampfes mit den Zuschauern auf den Tribünen sprach und seinen glücklosen Gegnern ins Gesicht lachte … Tyson hatte festgestellt, dass bei den Kämpfern der Zwanzigerjahre Goldzähne als Statussymbol galten, und ließ sich zwei Schneidezähne in Gold fassen. 15 ]
    Wenn er nicht in Studios und Trainingslagern für einen bevorstehenden Kampf trainierte (wozu er das bewundernde Publikum einlud), begab er sich auf Theatertournee durchs ganze Land. Er trat als Schattenboxer und Sparringspartner auf, spielte in Vaudevilles und Variet és. Er war der Archetypus des «Spielers», die beängstigende Verkörperung des «schwarzen Gecken» – mit knöchellangen Pelzmänteln, teuren, knallbunten Rennwagen, maßgeschneiderten Anzügen, Rubinen, Smaragden und Brillanten am ganzen eleganten Leib und dem berühmten umwerfenden Goldkronenlächeln. (Natürlich behängte Johnson auch seine Frauen mit Schmuck. Einiges davon lieh er sich nur für einen Abend, wenn er eine Frau ausführen wollte, andere Juwelen waren echte Geschenke für seine Ehefrauen. Als Johnson einmal durch die englische Provinz tingelte und in music halls auftrat, versteckte sich Etta, seine erste Frau, die später Selbstmord beging, in einem Londoner Luxushotel. Dass er ihr eine achtzehntausend Dollar teure königsblaue Limousine mit Chauffeur und einer Innenausstattung im Wert von zweieinhalbtausend Dollar zur Verfügung gestellt hatte, schien den Todeswunsch der unglücklichen Frau nur noch zu verstärken.) Es kam ständig vor, dass Johnson (männliche) Journalisten einlud, ihm beim Nacktbaden zuzusehen und seinen muskulösen Körper zu berühren; in seinem Trainingslager war praktisch immer Tag der offenen Tür, denn das Selbstdarstellungsbedürfnis des Boxers schien niemals nachzulassen. Ein Reporter des «New York Herald» schrieb:
    Wenn sich das Trainingslager geleert hat und die Besucher fort sind, lässt Johnson sein Lächeln fallen, vergisst seinen Witz und beginnt mit einer Schimpfkanonade gegen alles, was ihn zwingt, in Form zu

Weitere Kostenlose Bücher