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Über das Haben

Über das Haben

Titel: Über das Haben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Weinrich
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nur negativ gebrauchtes Modalverb « BRAUCHT nicht – zu HABEN » (normgerecht immer mit «zu», neuerdings häufig auch ohne «zu» gebraucht oder aber durch « MUSS nicht – HABEN » ersetzt). Eine besondere Erwähnung verdient noch der wichtige, von MÖGEN abgeleitete Optativ « MÖCHTE (gern) – HABEN », der beim Einkaufen in Geschäften und Bestellen in Restaurants fast regelmäßig das Wollen zum Ausdruck bringt.
    Wie nun der Zugang zum HABEN durch Modalverben gesteuert und dadurch in Bewegung versetzt wird, zeigt am deutlichsten das Beispiel des am häufigsten gebrauchten Modalverbs: KÖNNEN . Je nachdem ob «er|sie etwa eine feste Anstellung HABEN KANN oder NICHT HABEN KANN », ist der Zugang zur Arbeit frei oder versperrt. Wird man sich nun mit dieser Sperre abfinden und dem Volksmund vertrauen, der immer schon weiß: «Man kann nicht alles HABEN , was man HABEN will»? Der Zusatz jedoch, der hier das Wollen ins Spiel bringt, verrät schon, dass es vielleicht doch Wege gibt, den geruhsamen Zustand in aktive Bewegung zu bringen und dem HABEN Beine zu machen. Wer das aber gar nicht will, muss sich eben mit einem Achselzucken sagen lassen: «Wer nicht will, der HAT schon».

– 13 –

HÖFLICHER HABEN
    Höflich zu SEIN statt unhöflich, gute Manieren zu HABEN eher als schlechte: das kennzeichnet im «Umgang mit Menschen» (Knigge) ein Ensemble von lehr- und lernbaren Strategien des sprachlichen und nichtsprachlichen Handelns, die im Fall des Gelingens dazu führen, Schwierigkeiten des Lebens, wie sie niemandem erspart bleiben, nach Möglichkeit zu glätten. So weit die defensive Höflichkeit. All denen jedoch, die sich hoffentlich damit nicht begnügen wollen, ist anzuraten, sich darüber hinaus die Künste der offensiven Höflichkeit anzueignen, die darin bestehen, den Anderen und ganz besonders den Fremden mit Empathie und Sympathie ein gutes Stück Weges entgegenzukommen und es dabei an Phantasie nicht fehlen zu lassen. Mit «bitte» und «danke» ist es dabei nicht getan.[ 1 ]
    Für die Zielsetzung dieses Buches soll es jedoch ausreichend sein, die Strategien der defensiven Höflichkeit in HABEN -Sätzen zu besprechen, bei denen immer zu beachten ist, dass sie nicht ins Passiv gesetzt werden können (vgl. Kap. 7). Daraus ergeben sich Folgen und Nebenfolgen für den affektiven Status dieser Sätze. Sie können, auch wenn die Situation aus irgendeinem Grunde unter Spannung steht, ihr Subjekt nicht loswerden. Das HABEN lässt sich daher niemals vollständig «objektivieren». Eben dies ist der Grund dafür, dass beim Gebrauch des Verbs HABEN die Vermeidungsstrategien der Höflichkeit häufiger und nachhaltiger zur Wirkung kommen als bei anderen transitiven Verben. Die Formen und Formeln der Höflichkeit sollen nämlich vor allem verhindern, dass eine Zugehörigkeit zur Unzeit ins Spiel gebracht und dann als Zumutung für das Subjekt empfunden wird: als Impertinenz statt als Pertinenz.[ 2 ]
    Die formalen Strategien der defensiven Höflichkeit bedienen sich vorzugsweise eines dreifach abgestuften Instrumentariums: Konjunktiv, Modalpartikeln und Modalverben. Diese können einzeln oderkumulativ gebraucht werden. Bei dem Verb HABEN sind sie jedoch aus den angegebenen Gründen besonders häufig. Die nachfolgenden Beispiele setzen die Standardsituation einer Wohnungsbesichtigung zu Mietzwecken voraus.
    Als erste Stufe der formalen Höflichkeit eignet sich besonders das HÄTTE -Paradigma, das mit seinen sämtlichen Formen hohe Gebrauchswerte erzielt. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil bei anderen Verben, ob sie nun stark oder schwach flektieren (etwa «nähme» zu «nehmen», «mietete» zu «mieten»), die Konjunktivformen oft vermieden und durch eine Umschreibung ersetzt werden («würde nehmen»/«würde mieten»). Das HÄTTE -Paradigma (wie übrigens auch das WÄRE -Paradigma) kann demgegenüber ohne solche Umschreibungen auskommen und wird auch in der mündlichen Alltagssprache reichlich gebraucht. Beispiele:
    Ich HÄTTE mal eine kurze Frage: wissen Sie zufällig, wo …?
    HÄTTEN Sie vielleicht eine Skizze der Wohnung, die …?
    Man HÄTTE doch nie daran gedacht, dass hier noch so viele …
    Für die formalen Zwecke dieser konjunktivischen Höflichkeitsstufe kommen, wie die Beispiele zeigen, so gut wie ausschließlich die Formen des restriktiven Konjunktivs (Konjunktiv II) in Frage. Sie sind hier mit der einzigen Aufgabe betraut, die Bedeutung des Verbs HABEN so abzufedern, dass die gemeldete

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