Über das Sterben
eine Demenzerkrankung über einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren, auch hier bei bester Pflege und Palliativversorgung.
Die Zuhörer bekommen nur 15 Sekunden, um eine Entscheidung zu treffen – Sie als Leser dürfen sich gerne etwas mehr Zeit lassen und in Ruhe für sich überlegen, welche Möglichkeit Sie wählen würden und warum. Wenn Sie möchten, können Sie die Gründe für Ihre Entscheidung auch schriftlich niederlegen – Sie werden diese in Kapitel 8 wieder brauchen. Sie können auch überlegen, wie wohl die Mehrheit der Menschen entscheidet. Die Antwort dazu: Etwa drei Viertel der Menschen entscheiden sich für Alternative 1 (unerwarteter Sekundentod). Das übrige Viertel entscheidet sich fast komplett für Alternative 2 (mittelschneller Tod über zwei bis dreiJahre bei klarem Verstand). Nur vereinzelt entscheiden sich Menschen für Alternative 3, den langsamen Tod durch Demenz.
Das zeigt uns schon sehr gut die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die dem Leben nun einmal innewohnt und auch vor dem Sterben nicht haltmacht. Alternative 1, die von den meisten Menschen gewünscht wird, ereignet sich tatsächlich nur bei weniger als fünf Prozent der Todesfälle. Alternative 2 betrifft ungefähr 50 bis 60 Prozent der Sterbenden, Alternative 3 (die Demenz) wird in Zukunft für 30 bis 40 Prozent der Todesfälle verantwortlich sein, die Tendenz hier ist deutlich steigend.
Die nächste Frage betrifft den gewünschten Sterbeort. Es ist schon fast eine rhetorische Frage, die man auch umformulieren kann: Wer wünscht sich nicht, zu Hause zu sterben? Das sind immer nur ganz wenige Zuhörer. Passend dazu sagen alle Umfrageergebnisse, dass über 90 Prozent der Menschen am liebsten zu Hause sterben möchten. Dies gelingt aber derzeit nur etwa einem Viertel der Bevölkerung. Die weitaus meisten Todesfälle ereignen sich in Krankenhäusern und Pflegeheimen (siehe Tabelle 2.1).
Tabelle 2.1: Sterbeorte in Deutschland
Krankenhaus
42–43 %
Zu Hause
25–30 %
Heim
15–25 % (steigend)
Hospiz
1–2 %
Palliativstation
1–2 %
andere Orte
2–5 %
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin
Die nun folgende Frage an das Auditorium lautet: Welcher Faktor ist – nach den vorliegenden wissenschaftlichen Daten – ausschlaggebend für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch in den eigenen vier Wänden sterben kann? Was brauchen wir dafür? Die reflexhafte Antwort ist: viel Geld. Das passt zwar gut in den Wertekanon der modernen Gesellschaft. Aber genauso wie Geld bekanntlich nicht glücklich macht, ist Reichtum keine Garantie für einen Tod zu Hause. Als nächste Antwort kommt oft: gute Ärzte. Das ist schon nicht ganz falsch, wie wir später sehen werden, aber erstens gibt es dazu keine Daten (unter anderem, weil Ärzte sich nicht gerne in gute und schlechte einteilen lassen), und zweitens ist es bisher für den Einzelnen schwierig, diesen Faktor selbst zu beeinflussen (Privatpatient zu sein ist keine Garantie). Die dritte Antwort geht in die richtige Richtung: Familie bzw. Angehörige. Auf die Nachfrage «Welche?» kommt meist die Antwort «Ehepartner». Das hört sich logisch an, aber bei näherem Hinschauen muss man leider feststellen, dass die meisten Sterbenden hochbetagt sind und ihre Ehepartner, soweit noch vorhanden, damit in der Regel auch – keine gute Voraussetzung für eine Pflege zu Hause. Die dann folgende Antwort «Kinder» ist schon besser, bedarf aber einer Präzisierung: «Welche Kinder?» Hier dämmert es dann vor allem den Damen unter den Zuhörern, und sie antworten richtigerweise:
Töchter!
Das ist kein trivialer Unterschied. Nach den vorliegenden Daten ist die Wahrscheinlichkeit, von der eigenen Tochter zu Hause gepflegt zu werden, viermal höher, als wenn dies der eigene Sohn tun soll. Gegenüber den Söhnen ist sogar die Wahrscheinlichkeit höher, von der Schwiegertochter gepflegt zu werden, allen Klischees zum Trotz. Es ist also jedem zu raten, als wichtigste Vorsorgemaßnahme für das Lebensendemindestens eine, möglichst aber mehrere Töchter zu zeugen (das ist kein Witz). Wem nur Söhne gelingen, der sollte wenigstens die Auswahl der Schwiegertöchter sehr genau überwachen und sich mit ihnen beizeiten gut stellen.
Abbildung 2.1: Voraussichtliche Altersverteilung in Deutschland im Jahr 2050.
Das größte Problem bezüglich der Versorgung am Lebensende lässt sich anschaulich darstellen: Es ist der demographische Wandel. Die Abbildung 2.1 zeigt die voraussichtliche
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