Über das Trinken
groteskesten ist die seit Ewigkeiten im Fernsehen zu sehende Reklame, in welcher die Semperoper in Dresden als Brauerei hingestellt wird und das gute Radeberger als Opernpausengetränk.
Kein Bier der Welt hat so etwas nötig. Bier ist ein Premiumgetränk. Punkt. Und zwar von selber. Es muß dafür nicht so tun, als sei es Sekt. Denn es ist das Gegenteil.
Was man aber machen kann: Bier und Sekt zusammenschütten.
Die meisten sagen da erst einmal »Ih!« Und dann: »Ah!«. (Und am nächsten Morgen, das muß leider auch ganz offen gesagt werden, »Au!«) Es schmeckt wirklich besser, als es sich anhört. Und es ist, in dieser Kombination, vielleicht der einzige bleibende Beitrag der DDR zur Weltgetränkekultur. Es ist das, was in Ostdeutschland bis heute »Herrengedeck« heißt.
Im Westen wird unter einem »Herrengedeck« in der Regel etwas anderes verstanden. Nämlich ein Bier und ein Schnaps. Ein Langer und ein Kurzer. Denn so trokken kriegt man das Bier nicht runter. Und was sonst noch so an Sprüchen geklopft werden muß, damit der Stammtisch seinem Namen gerecht wird. Das sind die klassischen Zustände.
Im Osten verlief die Geschichte aber anders. Die Leute, die jeden Sekt der Welt stehen lassen würden für ein gutes Bier, nannte man dort Arbeiterklasse. Die Arbeiterklasse sollte aber im Sozialismus die herrschende Klasse sein. Und eine Zeitlang wurde von ihr auch erwartet, daß sie sich entsprechend herrschaftlich benimmt. Das aber hieß unter anderem: Sekt trinken!
Das war eine der schönen paradoxen Schlaufen, die sich in der Frühzeit der DDR ergeben hatten. In den Industriestädten wurden Kulturhäuser gebaut, die wie Schlösser aussehen sollten. Hinter mächtigen Tempelsäulen wurde daran gearbeitet, den neuen Machthabern am Wochenende ihre proletarischen Sitten auszutreiben: Wer ein Bier wollte, mußte auch eine Pikkoloflasche Sekt bestellen. Die proletarische Cleverness bestand dann darin, das als unmännlich und albern empfundene Schlabberwasser, wo es nun schon einmal da war, elegant in dem Bier zu versenken. Es war ein bißchen wie bei der Erfindung des Cocktails in Amerika: Das eine Getränk wird im anderen versteckt, um es erträglicher zu machen.
Der Erfolg war ein durchschlagender. Der Klassenkampf im Glas führte zu einer beeindruckenden Wirkungsverstärkung. Der Sekt und das Bier, das vermeintlich elitäre Getränk und das bodenständige, gingen sozusagen eine sozialutopische Allianz ein, die es später sogar auf die Getränkekarten der besseren Hotels in der DDR schaffte. Zeitweise soll es für das Herrengedeck eigene Gläser gegeben haben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Sekt macht das Bier gewissermaßen schneller, treibt es aus in höhere Tonlagen. Das Bier nimmt dafür dem Sekt das Schrille, Spitze und Säuerliche. Das hat natürlich auch wirkungsästhetische Konsequenzen: Der Sekt nimmt dem Bierrausch das Dumpfe, das Bier dem Sektschwips das Hysterische. Wer das trinkt, ist in der
Regel schnell allerbester Dinge, und zwar auf eine für alle anderen eher angenehme und anregende Weise.
Kluge ostdeutsche Eltern gaben ihren Kindern dieses Wissen rechtzeitig mit auf den Weg. Diese brachten es in die Einheit ein. So profitieren heute alle davon, und der wahre Wert erweist sich heute nicht zuletzt am Ende der besonders überkandidelten Nächte von Berlin-Mitte. Ein kluger Kopf aus dem Westen des Landes hat schon vor Jahren angeregt, den Cocktail aus dem Osten umzutaufen, um Mißverständnissen vorzubeugen und auch um eine klangliche Aufwertung zu erreichen. Sein Vorschlag war »Bier Royal«. Es versteht sich von selbst, daß dazu dann aber kein Sekt mehr genommen werden kann (zumal Sekt heute eigentlich vom Prestige her eher unterhalb des Biers rangiert). Es sollte dann Champagner sein.
Manchmal weigern sich engstirnige Wirte, den Champagner herauszurücken, weil sie es in ihrer Ahnungslosigkeit für barbarisch und blasphemisch halten, ein derart teures Getränk an ein derart profanes wie Bier zu verschwenden. Aber gerade beim ausdauernden Champagnertrinken kommt ja zwangsläufig der Moment, wo kein weiteres Glas mehr geht, weil die Säure einem aufzustoßen droht. Dann kann die besänftigende Herbheit des Bieres ein Segen sein – und die Rettung des Abends. Mit Bier Royal kriegt man die Kurve in den zweiten Teil der Nacht, wo andere mit Sodbrennen nach Hause müssen.
Es geht bei alldem ja immer um Trunkenheits-Management.
Man muß sich allerdings entscheiden. Ob man
Weitere Kostenlose Bücher