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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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aber nicht sonderlich erstaunt darüber, dass ein Fremder ihn sprechen wollte.
    »Solange es nicht um Leben oder Tod geht, möchte ich lieber erst duschen, danach können wir uns gern unterhalten.«
    Neuberger war nicht unfreundlich oder abweisend, aber er ließ keinen Zweifel daran, dass er es war, der die Bedingungen für das Gespräch setzte. Bevor Marder erwidern konnte, dass es unter Umständen tatsächlich um Leben oder Tod ging, hatte Neuberger sich bereits abgewandt und war in Richtung der Umkleideräume entschwunden. Nach einigen Minuten tauchte er wieder auf, lehnte sich neben Marder an die Theke und bestellte ein alkoholfreies Bier.
    »Also, wie war Ihr Name noch? Und was kann ich für Sie tun?«
    »Mein Name ist Manfred Marder. Ich komme von der Kriminalpolizei.«
    Eigentlich hatte Marder sagen wollen: Ich arbeite bei der Kriminalpolizei, aber das wäre nicht ganz korrekt gewesen. Für Neuberger, der nicht wissen konnte, welchen Status Marder bei dieser Behörde innehatte, machte diese feine Nuance keinen Unterschied. Als er das Wort Kriminalpolizei hörte, zuckte er merklich zusammen, und sein Ausdruck veränderte sich von gelangweilter Überlegenheit in aufmerksames Interesse. Hatte da nicht für den Bruchteil einer Sekunde ein schlechtes Gewissen aus seinen Augen geblitzt?
    Marder nahm einen langen Schluck von seinem zweiten Alsterwasser und ließ Neuberger für einige Sekunden darüber nachgrübeln, was die Kriminalpolizei von ihm wollte. Dann sagte er: »Herr Neuberger, ich möchte mit Ihnen über Vera Matuschek sprechen.«
    »Vera Matuschek? Was ist mit Vera Matuschek?«
    »Wann haben Sie Frau Matuschek das letzte Mal gesehen?«
    »Daran kann ich mich kaum erinnern, das ist lange her.«
    »Wie lange?«
    »Auf jeden Fall länger als ein Jahr. Warum fragen Sie? Ist ihr etwas passiert?«
    Neuberger hob sein Bierglas, prostete Marder verhalten zu, lächelte.
    Marder setzte nach.
    »Beschreiben Sie bitte Ihre Beziehungen zu Frau Matuschek, und wann genau haben Sie sie das letzte Mal gesehen? Es ist sehr wichtig.«
    Marder ließ Neuberger im Unklaren, warum er diese Fragen stellte. Neuberger dachte nach, wahrscheinlich überlegte er, ob er etwas Falsches sagen konnte.
    »Das muss kurz nach dem Tod ihres Mannes gewesen sein. Sein Selbstmord ging ja durch die Presse. Eine furchtbare Sache. Das war gegen Ende des vorletzten Jahres. Seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen.«
    »Gab es einen Grund dafür, dass Sie Frau Matuschek seit damals nicht mehr gesehen haben?«
    »Ja, den gab es. Einen ganz einfachen. Ich habe sie nicht mehr sehen wollen.«
    »Das müssen Sie erklären. Was meinen Sie damit?«
    »Die ganze Sache war mir damals ein bisschen peinlich.«
    »Peinlich? Welche Sache?«
    »Also, das war so: Ich hatte mit Frau Matuschek ab und zu Doppel gespielt, das hatte sich zufällig so ergeben, ohne besondere Absicht meinerseits. Wir hatten im Winter während der Hallensaison Frau Matuschek gelegentlich aufgefordert, bei uns mitzuspielen, weil unser vierter Mann für mehrere Wochen auf Kur war. Sie war eine athletische Spielerin, die gut mithalten konnte. Wenn sie dabei war, spornte uns das sogar an, eine Schippe draufzulegen, weil sich niemand vor ihr blamieren wollte. Ich habe lieber mit ihr als gegen sie gespielt, und das hat sie wohl mitbekommen.«
    »Woran hat sie das gemerkt?«
    »Ich habe sie häufiger gelobt, so mit Daumen hoch nach einem guten Schlag, und ihr das eine oder andere Kompliment für gute Volleys oder Lobs gemacht.«
    Neuberger leerte sein Alkoholfreies. Er atmete bei geschlossenen Augen tief durch, als kämen Erinnerungen zurück.
    »Ich habe dann gemerkt, dass sie sich bei solchen Gelegenheiten sehr geschmeichelt fühlte. Sie dachte fälschlicherweise, ich wäre an ihr über den Sport hinaus interessiert. Sie hat mich nach dem Tod ihres Mannes angerufen und wollte sich mit mir zum Tennis verabreden und dabei angedeutet, dass ihr an meiner Gesellschaft sehr gelegen sei.«
    »Und Sie haben ihr keinerlei Anlass für Missverständnisse gegeben?«
    Zu leicht wollte er Neuberger nicht entlassen.
    »Was soll ich da sagen? Wissen Sie, ich arbeite für ein internationales Consulting-Unternehmen. Da muss man mit vielen wichtigen Leuten reden, immer diplomatisch und immer freundlich. Deshalb habe ich mir auch in meinem privaten Leben angewöhnt, immer verbindlich zu sein und Leute nicht vor den Kopf zu stoßen. Vielleicht wäre es bei Frau Matuschek besser gewesen, ich hätte ihr gleich

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