Ueber Den Deister
»ich bin Verkäufer.«
»Aha«, entgegnete Marder, während er intensiv in seine Kaffeetasse blickte – er wollte nicht interessiert wirken.
»Sie wollen bestimmt wissen, was ich verkaufe.«
Marder wollte es nicht.
Schweinzer schien das nicht zu bemerken: »Ich habe heute eine Verkaufsveranstaltung hier im Ort, deswegen bin ich gestern Abend schon angereist. Ich sage immer, man muss gut ausgeschlafen sein, wenn man was verkaufen will. Heute verkaufe ich Magnetdecken. Eine tolle Erfindung. Sie haben doch bestimmt Zeit, da sollten Sie auch kommen. Es gibt auch was Leckeres zu essen. Jetzt, wo Ihre Frau tot ist, schlafen Sie mit so einer kuscheligen warmen Decke im Bett bestimmt besser als alleine.«
Die Tür zur Küche schwang auf.
»Guten Morgen, Herr Kommissar! Heute sind Sie aber zeitig dran.«
Frau Thann stellte einen Korb mit Brötchen auf die Anrichte und verschwand wieder in die Küche.
Schweinzer starrte Marder an und machte sich ganz klein auf seinem Stuhl, als würde er am liebsten unter den Tisch rutschen.
»Kom … Kommissar? Ich dachte, Sie wären Rentner.«
»Es gibt Berufe, da kann man nicht immer die ganze Wahrheit sagen. Das müssten Sie doch selbst am besten wissen.«
»Alles, was ich tue, ist völlig legal, bisher habe ich noch jeden Prozess gewonnen.«
»Trotzdem würde es Sie sicherlich nervös machen, wenn ich vom Betrugsdezernat wäre.«
Schweinzers Kopf war hochrot.
»Sind Sie es?«
»Nein, ich bin es nicht. Ich bin von der Kriminalpolizei hierher geschickt worden wegen einer Ermittlung, die nichts mit Betrug zu tun hat. Also beruhigen Sie sich, aber, wie gesagt, es muss nicht unbedingt alles Wahrheit sein, was ich sage.«
Schweinzer schlang ohne weitere Bemerkungen sein Nutella-Brötchen hinunter, schüttete den Kaffee hinterher und verließ den Raum, in dem sich dieser hinterhältige Kommissar aufhielt.
Marder fühlte sich bestätigt, dass er Kurt Schweinzer von vornherein nicht hatte leiden können, es war gut, dass er ihm einen Schrecken eingejagt hatte. Verkaufsveranstaltungen oder Kaffeefahrten, bei denen man älteren Leuten das Geld aus der Tasche zog, hielt Marder für unmoralische Geschäftemacherei. Verkäufer, die sich dafür hergeben, waren seiner Meinung nach Handlanger eines leider legalen Betrugssystems.
Nachdem Schweinzer den Raum verlassen hatte, kam Frau Thann zurück in das Frühstückszimmer. Ihre Augen glänzten.
»Ich bin richtig zufrieden mit mir, und vor allem mit Ihnen«, sagte sie.
»Wieso mit mir?«
»Na … wie Sie dem Schweinzer einen Schrecken eingejagt haben.«
»Der wird sich schnell wieder erholen. Und warum sind Sie zufrieden mit sich selbst?«
»Ich habe Ihre Unterhaltung vom Flur aus gehört und dachte mir, dass der einen schönen Schock bekommen wird, wenn ich Sie mit Herr Kommissar anrede. Auf solche Leute wie den Schweinzer habe ich eine richtige Wut.«
»Es war nicht fair von Ihnen, an der Tür zu lauschen. Aber was haben Sie gegen Herrn Schweinzer?«
Frau Thann holte eine Tasse aus dem Schrank, goss sich Kaffee ein und setzte sich Marder gegenüber.
»Also, ich bin nicht speziell auf Herrn Schweinzer wütend, sondern auf Leute wie ihn. Als er vor einigen Tagen ein Zimmer für eine Nacht gebucht hat, hatte ich natürlich keine Ahnung, was er hier in der Stadt wollte. Als er gestern Abend ankam, hat er mir von seiner Verkaufsveranstaltung erzählt, dann wollte er mich sogar noch überreden, dorthin zu kommen. Am liebsten hätte ich ihn da wieder rausgeschmissen, aber das ging natürlich so spät abends nicht mehr.«
Marder hatte seine Wirtin selten so erregt erlebt. Ohne darauf zu achten, hatte sie vier Stück Zucker in die Tasse fallen lassen und so vehement umgerührt, dass es über den Rand schwappte, ohne dass sie Anstalten machte, den Kaffee zu trinken.
»Ich bin so wütend, weil ich selbst vor kurzem auf einen Typ wie ihn fast hereingefallen bin. Vorletzte Woche hat mich jemand angerufen, der mir zu einem Preisgewinn gratuliert hat, obwohl ich mich nicht erinnern konnte, an einem Preisausschreiben teilgenommen zu haben. Aber ich dachte, in meinem Alter ist man halt etwas vergesslich – und natürlich freut man sich, wenn man etwas gewonnen hat. Der freundliche Mann am Telefon sagte, man wolle mir diesen Gewinn während einer netten Veranstaltung in einem Gasthaus in Bad Nenndorf überreichen. Dazu gebe es ein vorzügliches Essen und neben dem Gewinn noch ein wertvolles Geschenk.«
Frau Thann war nicht zu bremsen. Marder
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