Ueber Den Deister
ob ich antworte.«
»Als ich Sie bei meinem Besuch fragte, ob Sie wüssten, ob Volkert mit einer Frau in die Ferien gefahren ist, haben Sie geantwortet: ›Über solche Sachen reden wir nicht mehr.‹ Daraus schließe ich, dass Sie früher über so etwas geredet haben. Was ist zwischen Ihnen und Volkert vorgefallen?«
»Eigentlich wollte ich mit niemandem darüber sprechen. Nur wenn Sie mir versprechen, dass Sie es für sich behalten, erzähle ich es Ihnen.«
»Ich verspreche es Ihnen hoch und heilig.«
Marder nahm sich fest vor, dieses Versprechen einzuhalten, gleichgültig, was ihm die Polizistin in Holzminden mitteilen würde – solange er es mit seinem Gewissen vereinbaren konnte.
»Anfangs war Volkert ein ganz normaler Kollege, wir waren zwar nicht dick befreundet, aber wir haben problemlos nebeneinanderher gearbeitet. Dann wurde er zum Chef ernannt, weil sein Vorgänger krank wurde und vorzeitig in den Ruhestand ging. Das ist ihm zu Kopf gestiegen, und von diesem Moment an war es mit der Kollegialität vorbei. Er hat den großen Boss gemimt und alle im Büro von oben herab behandelt – vor allem hat er den großen Casanova gespielt. Er hat gemeint, nun würden alle Frauen ihm zu Füßen liegen und nur darauf warten, mit ihm ins Bett gehen zu dürfen. Damals hat er auch mich angemacht, obwohl er wusste, dass ich wusste, dass er verheiratet war. Außerdem hatte ich zu der Zeit eine feste Beziehung. Ich habe Volkert keinen Zweifel daran gelassen, was ich von seinen Angeboten hielt. Das hat ihn aber nicht daran gehindert, mich weiter zu belästigen.«
Frau Bistorf-Kuntze hatte sich in Rage geredet. Marder versuchte gar nicht erst, sie zu unterbrechen.
»Als er dann geschieden war, wurde er immer aufdringlicher. Zum Schluss hat er mir sogar gedroht, es könne meiner Karriere bei der Polizei schädlich sein, wenn ich ihn weiterhin so kühl behandelte. Da habe ich ihm gesagt, ich würde eine offizielle Dienstbeschwerde wegen sexueller Nötigung gegen ihn einreichen, wenn er nicht aufhörte, mir nachzustellen. Danach hat er mich in Ruhe gelassen, und wir haben nur noch das Allernötigste miteinander gesprochen. Das war kurz bevor er nach Barsinghausen abgeordnet wurde.«
Frau Bistorf-Kuntze machte eine Pause. Marder verstand nun ihre Abneigung gegen Volkert, er war hundertprozentig auf ihrer Seite.
»Und warum haben Sie die Beschwerde nicht eingereicht? Das war doch ein klarer Fall von Nötigung. Eine Anzeige wäre auf jeden Fall korrekt gewesen und zu Ihrem Schutz das Beste.«
»Wie gesagt, er war dann erst einmal weg, da habe ich gedacht, vielleicht erledigt sich die Sache von allein. Man weiß ja nie, was bei einer Beschwerde herauskommt. Vielleicht gelänge es ihm ja, den Spieß umzudrehen, und auf einmal stände ich als die Schuldige da, die nur neidisch auf seine Beförderung war. Als er nach Holzminden zurückkam, hatten sich seine Hormone irgendwie beruhigt. Nachdem, was Sie mir erzählt haben, weiß ich jetzt auch, warum. Das letzte Jahr mit ihm war nicht leicht für mich, Herr Marder. Meine Hoffnung ist, dass ich an eine andere Dienststelle versetzt werde.«
»Ich glaube trotzdem, es war ein Fehler von Ihnen, Ihre Vorgesetzten in Hannover nicht über Volkerts Verhalten zu informieren. Was wollen Sie denn tun, wenn Herr Volkert wiederkommt?«
»Dann werde ich meinen Antrag auf Versetzung endlich abschicken, den ich schon lange in einer Schublade liegen habe. Und wenn das nicht klappt, mache ich mich vielleicht als private Sicherheitsberaterin selbstständig. Aber erst warte ich einmal, ob Kommissar Volkert wieder auftaucht.«
Am nächsten Tag tauchte Volkert tatsächlich auf.
Marder erfuhr es von Erich Falkenberg, während er in der Küche stand und an einer Lasagne arbeitete. Seit er im Ruhestand war, kümmerte er sich gelegentlich um die Mahlzeiten, wenn Iris im Garten arbeitete oder etwas Wichtiges vorhatte, wie zum Beispiel eine Verabredung mit einer ihrer Freundinnen. Er machte keinen Hehl daraus, dass er gern kochte, solange er es auf freiwilliger Basis tun durfte. Er benutzte diese Gelegenheit, ein bisschen mehr saure oder süße Sahne in Soßen zu schütten, als es seine Frau gewöhnlich tat. Nicht nur wegen seinem höheren Verbrauch an Sahne hielt sich Marder für einen kreativen Koch. Für ihn war ein Rezept lediglich eine Anregung, die beliebig verändert werden durfte, wobei er den Begriff »gesund« äußerst tolerant auslegte. Eine seiner Spezialitäten waren gemischte Salate,
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