Über den Fluß und in die Wälder
doch General Rommel geschlagen.»
«Ja, und glaubst du nicht, daß jemand anders ihn vorher mürbe gemacht hatte? Und wer kann mit fünfzehn zu eins nicht siegen? Als wir hier kämpften, als wir jung waren, der Gran Maestro und ich, da haben wir ein ganzes Jahr lang mit drei oder vier zu eins gegen uns gekämpft, und wir haben jedesmal gesiegt. An drei besonders schlimmen Stellen. Deshalb können wir Ulk machen und brauchen uns nicht würdevoll zu gebärden. In jenem Jahr hatten wir etwas über 140000 Tote. Deshalb können wir frisch und frei von der Leber weg reden, ohne hochtrabende Worte zu benutzen.»
«Es ist eine sehr traurige Wissenschaft, falls es überhaupt eine Wissenschaft ist», sagte das Mädchen. «Ich respektiere die Kriegerdenkmäler, aber ich hasse sie.»
«Ich mag sie auch nicht. Noch den Vorgang, der zu ihrer Errichtung führt. Hast du jemals an diese Seite der Sache gedacht?»
«Nein. Aber ich würde gern etwas davon wissen.»
«Besser nicht wissen», sagte der Colonel. «Iß dein Steak, bevor es kalt ist, und verzeih mir, daß ich von meinem Handwerk gesprochen habe.»
«Ich hasse es, aber ich liebe es auch.»
«Ich glaube, wir haben die gleichen Gefühle», sagte der Colonel. «Aber was denkt wohl mein pockennarbiger Landsmann drei Tische weit entfernt?»
«An sein nächstes Buch oder an das, was im Baedeker steht.»
«Wollen wir nach dem Essen in einer Gondel im Wind fahren, was meinst du?»
«Das wäre wunderbar.»
«Sollen wir dem pockennarbigen Mann sagen, was wir vorhaben? Ich glaube, er hat überall Pocken – auf seinem Herzen und seiner Seele und vielleicht auch seiner Neugier.»
«Wir erzählen ihm nichts», sagte das Mädchen. «Der Gran Maestro kann ihm jede uns genehme Information übermitteln.» Dann kaute sie ordentlich und herzhaft an ihrem Steak und sagte: «Glaubst du, es stimmt, daß Menschen über fünfzig für ihr Gesicht verantwortlich sind?»
«Hoffentlich nicht. Ich möchte meines nicht signieren.»
«Du», sagte sie. «Du.»
«Ist das Steak gut?» fragte der Colonel.
«Es ist wunderbar. Wie sind deine scaloppine?»
«Sehr zart, und die Soße ist überhaupt nicht süßlich. Schmeckt dir das Gemüse?»
«Der Blumenkohl ist beinah so kroß wie Sellerie.»
«Wir sollten Sellerie essen. Aber wahrscheinlich gibt es keinen, sonst hätte ihn der Gran Maestro bestimmt gebracht.»
«Was für Spaß wir mit dem Essen haben, nicht? Denk mal, wenn wir immer zusammen essen könnten.»
«Ich hatte es vorgeschlagen.»
«Wir wollen nicht davon reden.»
«Schön», sagte der Colonel. «Ich habe vorhin auch einen Entschluß gefaßt. Ich werde den Dienst quittieren und bescheiden von meiner Pension in dieser Stadt leben.»
«Das wäre wunderbar. Wie siehst du denn in Zivil aus?»
«Du hast mich schon gesehen.»
«Ich weiß, mein Lieber. Ich hab dich nur geneckt. Du neckst mich ja auch hin und wieder.»
«Ich werde schon ganz ordentlich darin aussehen. Das heißt, wenn ihr hier einen Schneider habt, der sich aufs Zuschneiden versteht.»
«Hier gibt es keinen. Aber es gibt welche in Rom. Können wir zusammen nach Rom fahren, um dir deine Sachen zu besorgen?»
«Ja, und wir wollen außerhalb in Viterbo wohnen und nur für die Anproben und zum Essen abends reinfahren. Und nachts fahren wir dann wieder zurück.»
«Werden wir Filmleute treffen und ganz unparteiisch über sie reden und vielleicht sogar nicht einmal mit ihnen trinken?»
«Wir werden Tausende von ihnen sehen.»
«Werden wir dabei sein, wenn sie das zweite und dritte Mal heiraten und dann den Segen des Papstes empfangen?»
«Wenn dir das Spaß macht.»
«Das tut es nicht», sagte das Mädchen. «Das ist einer der Gründe, warum ich dich nicht heiraten kann.»
«Aha», sagte der Colonel. «Danke.»
«Aber ich werde dich lieben – was immer es auch bedeuten mag, und du und ich, wir wissen sehr genau, was es bedeutet –, so lange wie einer von uns am Leben ist, und auch nachher.»
«Ich glaube nicht, daß man sehr viel lieben kann, nachdem man selber tot ist», sagte der Colonel.
Er fing an seine Artischocke zu essen. Er nahm immer nur ein Blatt auf einmal und stippte es mit der fleischigen Seite nach unten in das tiefe Schälchen mit sauce vinaigrette.
«Ich weiß auch nicht, ob man’s kann», sagte das Mädchen. «Aber ich werde es versuchen. Ist dir nicht wohler, wenn du geliebt wirst?»
«Doch», sagte der Colonel. «Mir ist, als ob ich draußen auf einem arschnackten Hügel stände, wo es
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