Über den Fluß und in die Wälder
zu felsig zum Graben ist, der durch und durch aus Felsen ist und keine Vorsprünge und keine Ausbuchtungen hat, und urplötzlich bin ich nicht mehr nackt, sondern gepanzert. Gepanzert, und die 8,8er sind weg.»
«Das solltest du unserem Freund, dem Schriftsteller mit dem Mondkratergesicht, erzählen, damit er das heute abend niederschreiben kann.»
«Ich würde es Dante erzählen, wenn er in der Gegend wäre», sagte der Colonel, der plötzlich so wild wie die See war, wenn eine Sturmfront heraufkommt. «Ich würde ihm erzählen, was ich täte, wenn ich unter solchen Umständen plötzlich in einen Panzerwagen versetzt oder hineingeklettert wäre.»
In dem Augenblick betrat Barone Alvarito den Raum. Er suchte sie, und da er Jäger war, sah er sie sofort.
Er kam an den Tisch heran, küßte Renata die Hand und sagte: «Ciao, Renata.» Er war ziemlich groß, und der Stadtanzug zeigte, wie wunderbar er gewachsen war. Er war der schüchternste Mann, den der Colonel je gekannt hatte. Er war weder aus Unwissenheit, noch weil er sich unbehaglich fühlte, schüchtern, noch weil er irgendeinen Defekt hatte. Er war schüchtern von Natur, wie manche Tiere es sind, so wie der Bongo im Dschungel, den man niemals zu sehen bekommt und den man mit Hunden hetzen muß.
«Colonel», sagte er und lächelte wie nur die wahrhaft Schüchternen lächeln können.
Es war nicht das behagliche Grinsen des Selbstbewußten noch das zerschleißende, schnelle Lächeln der Unverwüstlichen und Bösen. Es stand in keiner Beziehung zu dem selbstsicheren und zweckbedingten Lächeln des Höflings oder Politikers. Es war das sonderbare, seltene Lächeln, das dem dunklen, tiefen Schacht in ihrem Innern entspringt, der tiefer als ein Brunnen, tief wie ein tiefer Stollen ist.
«Ich kann nur einen Augenblick bleiben. Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen, daß die Aussichten für die Jagd ganz günstig sind. Die Enten fliegen in schweren Mengen von Norden ein. Es sind viele große Enten darunter. Die Sorte, die Sie mögen.» Er lächelte wieder.
«Setzen Sie sich, Alvarito, bitte.»
«Nein», sagte Barone Alvarito. «Wenn es Ihnen recht ist, können wir uns um 14 Uhr 30 vor der Garage treffen. Haben Sie Ihren Wagen da?»
«Ja.»
«Das ist ausgezeichnet. Wenn wir um die Zeit abfahren, können wir abends noch die Enten beobachten.»
«Großartig», sagte der Colonel.
«Also ciao, Renata. Auf Wiedersehen, Colonel. Um 14 Uhr 30.»
«Wir kannten uns als Kinder», sagte das Mädchen. «Aber er war ungefähr drei Jahre älter als ich. Er war von der Geburt an sehr alt.»
«Ja, ich weiß. Ich bin mit ihm sehr befreundet.»
«Glaubst du, daß dein Landsmann ihn im Baedeker nachgeschlagen hat?»
«Das weiß ich nicht», sagte der Colonel. «Gran Maestro», fragte er, «hat mein erlauchter Landsmann den Barone im Baedeker nachgeschlagen?»
«Auf Ehre, Colonel. Ich habe ihn während des Essens keinmal seinen Baedeker benutzen sehen.»
«Geben Sie ihm ein Lob», sagte der Colonel. «Sagen Sie mal, ich glaube, der Valpolicella ist besser, wenn er jünger ist. Es war kein grand vin, und wenn man ihn auf Flaschen füllt und jahrelang lagern läßt, vermehrt das nur den Bodensatz. Finden Sie das nicht auch?»
«Das finde ich auch.»
«Was läßt sich da machen?»
«Colonel, Sie wissen, daß in einem Grandhotel der Wein Geld kosten muß. Man kann im Ritz keinen Pinard trinken. Aber ich würde vorschlagen, daß wir einige fiascos von dem guten kommen lassen. Sie können ja sagen, daß sie von den Weingütern der Contessa kommen und daß sie ein Geschenk sind. Dann lasse ich sie für Sie abfüllen. Auf diese Art werden wir besseren Wein bekommen und ein Beachtliches sparen. Wenn Sie es wünschen, kann ich es dem Direktor erklären. Er ist ein ausgezeichneter Mensch.»
«Erklären Sie es ihm», sagte der Colonel. «Er ist auch kein Mann, der Etiketts trinkt.»
«Stimmt. Inzwischen können Sie diesen ruhig trinken. Er ist sehr gut, wissen Sie.»
«Das ist er», sagte der Colonel. «Aber es ist kein Chambertin.»
«Was pflegten wir zu trinken?»
«Irgendwas, einfach alles», sagte der Colonel. «Aber jetzt suche ich Vollkommenheit; vielmehr keine absolute Vollkommenheit, sondern Vollkommenheit für mein Geld.»
«Das suche ich auch», sagte der Gran Maestro, «aber ziemlich vergeblich. Was wünschen Sie als Dessert?»
«Käse», sagte der Colonel. «Was möchtest du, Tochter?»
Das Mädchen war still und ein wenig abwesend gewesen, seit Alvarito
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