Über den Fluß und in die Wälder
während wir ein vierblättriges Kleeblatt von wegen Glück als Abzeichen trugen, hatten einen Meisterplan, um die Stadt einzuschließen. Darum durften wir sie nicht einfach nehmen.
Außerdem mußten wir das immerhin mögliche Eintreffen von General oder Feldmarschall Bernard Law Montgomery abwarten, der unfähig war, auch nur die Lücke bei Falaise zu schließen, und der den Vormarsch ziemlich mulmig fand und nicht ganz zur Zeit da sein konnte.»
«Der muß dir ja sehr gefehlt haben», sagte das Mädchen.
«Das hat er», sagte der Colonel. «Und wie!»
«Aber gab es nichts wirklich Heldenhaftes oder Schönes bei der ganzen Sache?»
«Doch gewiß», sagte der Colonel zu ihr. «Wir kämpften von Bas Meudon aus und dann an der Porte de Saint-Cloud in lauter Straßen, die ich kannte und liebte, und wir hatten keine Toten und richteten so wenig Schaden wie möglich an. An der Etoile nahm ich den Butler von Elsa Maxwell gefangen. Es war eine sehr schwierige Aktion. Man hatte ihn als japanischen Scharfschützen denunziert. Etwas ganz Neues. Man behauptete, daß er mehrere Pariser getötet habe. Darum schickten wir drei Mann auf das Dach, auf das er sich geflüchtet hatte; es war ein Junge aus Indochina.»
«Langsam fang ich an, es zu verstehen. Aber es ist herzzerreißend.»
«Es ist immer herzzerreißend, verflucht noch mal. Aber man hat in diesem Handwerk eben kein Herz zu haben.»
«Aber glaubst du, daß es zu Zeiten der großen Heerführer ebenso gewesen ist?»
«Ich bin überzeugt, es war schlimmer.»
«Aber deine Hand hast du auf rühmliche Art bekommen?»
«Ja, auf sehr rühmliche. Auf einem felsigen, arschnackten Hügel.»
«Bitte, darf ich sie mal anfassen?» sagte sie.
«Sei etwas vorsichtig um die Mitte rum», sagte der Colonel. «Dort ist sie gespalten, und sie bricht noch manchmal auf.»
«Du solltest schreiben», sagte das Mädchen. «Ich meine wirklich. Damit einer oder der andere etwas über diese Dinge erfährt.»
«Nein», widersprach der Colonel. «Dafür habe ich kein Talent, und ich weiß zu viel. Fast jeder Lügner kann überzeugender darüber schreiben als ein Mann, der dabei gewesen ist.»
«Aber andere Soldaten haben auch geschrieben.»
«Ja. Moritz von Sachsen. Friedrich der Große. Mr. T’sun Su.»
«Nein. Soldaten in unserer Zeit.»
«Du benutzt das Wort ‹unserer› mit großer Leichtigkeit. Aber es gefällt mir.»
«Aber haben denn nicht viele moderne Soldaten geschrieben?»
«Viele. Aber hast du je etwas von ihnen gelesen?»
«Nein. Ich habe meistens die Klassiker gelesen, und die illustrierten Zeitschriften habe ich wegen der Skandalgeschichten gelesen. Und dann habe ich deine Briefe gelesen.»
«Verbrenne sie», sagte der Colonel. «Sie sind wertlos.»
«Bitte, sei nicht so böse.»
«Gewiß nicht. Aber was kann ich dir erzählen, was dich nicht langweilt?»
«Erzähl mir von der Zeit, als du General warst.»
«Herrje», sagte der Colonel und gab dem Gran Maestro ein Zeichen, den Champagner zu bringen. Es war Roederer Brut 42, den er besonders liebte.
«Wenn man ein General ist, wohnt man in einem Wohnwagen, und dein Generalstabschef wohnt auch in einem Wohnwagen, und du trinkst Bourbon Whiskey, wenn andere Leute keinen haben. Deine Gs wohnen im C. P. Ich würde dir erzählen, was Gs sind, aber es würde dich langweilen. Ich könnte dir von G1, G2, G3, G4, G5 erzählen, und auf der anderen Seite ist immer Kraut 6. Aber es würde dich langweilen. Man hat eine Landkarte unter Plexiglas, und auf der hat man drei Regimenter, die aus je drei Bataillonen bestehen. Alles ist mit farbigen Stiften eingetragen.
Es gibt Grenzlinien, damit die Bataillone, wenn sie ihre Grenzen überschreiten, nicht gegeneinander kämpfen. Jedes Bataillon setzt sich aus fünf Kompanien zusammen. Sie sollten alle gut sein, aber manche sind gut und manche sind weniger gut. Man hat auch Divisionsartillerie und ein Panzerbataillon und viele Ersatztruppenteile. Man lebt von Koordination.»
Er hielt inne, während der Gran Maestro den Roederer Brut 42 einschenkte.
«Vom Korps», übersetzte er wenig liebevoll Cuerpo d’Armata, «wird einem gesagt, was man zu tun hat, und dann entscheidet man selbst, wie man es machen wird. Man diktiert die Befehle, oder meistens gibt man sie telefonisch durch. Man sucht Leute aus, für die man was übrig hat, damit sie etwas tun, von dem man weiß, daß es fast unmöglich ist; aber es ist eben befohlen. Außerdem muß man als General scharf denken, spät
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