Über den Fluß und in die Wälder
aufbleiben und früh aufstehen.»
«Und du willst hierüber nicht schreiben? Nicht einmal mir zu Gefallen?»
«Nein», sagte der Colonel. «Jungens, die empfindsam waren und einen Knax bekamen, die all die zwingenden ersten Eindrücke ihres einen Kriegstages oder ihrer drei oder selbst vier Tage behalten haben, die schreiben Bücher. Es sind gute Bücher, können aber langweilig sein, wenn man dabei gewesen ist. Dann schreiben andere, die vom Krieg, den sie nicht mitgemacht haben, schnell profitieren wollen. Die, die zurückliefen, um Bericht zu erstatten. Die Berichte stimmen wohl kaum, aber schnell laufen, das konnten sie. Berufsschriftsteller, die in Stellungen saßen, die sie verhinderten mitzukämpfen, schrieben von Gefechten, von denen sie nichts verstanden, als ob sie dabei gewesen wären. Ich weiß nicht, unter welche Kategorie von Sünde das fällt.
Auch ein nylonglatter Kapitän zur See, der nicht das kleinste Segelboot hätte befehligen können, schrieb über die interne Seite des Hauptfilms. Jeder wird früher oder später sein Buch schreiben. Möglich, daß mancher sogar ein gutes schreibt. Aber ich schreibe keins, Tochter.»
Er gab dem Gran Maestro ein Zeichen, die Gläser zu füllen.
«Gran Maestro», sagte er, «kämpfen Sie gern?»
«Nein.»
«Aber gekämpft haben wir, was?»
«Ja. Zuviel.»
«Was macht die Gesundheit?»
«Großartig, bis auf die Geschwüre und ein kleines Herzleiden.»
«Nein», sagte der Colonel, und sein Herz schlug heftig, und er fühlte, wie es ihm die Kehle zupreßte. «Sie haben mir nur von den Geschwüren erzählt.»
«Nun, Sie wissen es jetzt», sagte der Gran Maestro und beendete den Satz nicht, und er lächelte sein bestes und reinstes Lächeln, das mit der gleichen Zuverlässigkeit erschien, mit der die Sonne aufgeht.
«Wie oft?»
Der Gran Maestro hielt zwei Finger in die Höhe, wie’s jemand tut, der mitbietet, wo er Kredit hat, oder wo alles Wetten durch Zeichen geschieht.
«Ich bin Ihnen voraus», sagte der Colonel. «Aber wir wollen nicht Trübsal blasen. Fragen Sie Donna Renata, ob sie mehr von diesem ausgezeichneten Wein wünscht.»
«Du hast es mir nicht gesagt, daß es noch mehr waren», sagte das Mädchen. «Du mußt es mir erzählen. Das bist du mir schuldig.»
«Seit wir uns zum letztenmal sahen, war nichts.»
«Glaubst du, daß es meinetwegen bricht? Wenn, dann würde ich zu dir kommen und einfach bei dir bleiben und dich pflegen.»
«Es ist ja nur ein Muskel», sagte der Colonel. «Nur, daß es der Hauptmuskel ist. Er arbeitet so vollkommen wie eine Rolex Oyster Perpetual. Hat nur den Fehler, daß man ihn nicht an den Vertreter der Rolex schicken kann, wenn er reparaturbedürftig ist. Wenn er stehenbleibt, weißt du einfach nicht, wieviel Uhr es ist. Du bist tot.»
«Bitte, sprich nicht davon.»
«Du hast mich gefragt», sagte der Colonel.
«Und der pockennarbige Mann mit dem Gesicht, das wie eine Karikatur aussieht, der hat so was nicht?»
«Natürlich nicht», sagte der Colonel zu ihr. «Wenn er ein mittelmäßiger Schriftsteller ist, wird er ewig leben.»
«Aber du bist doch kein Schriftsteller. Woher willst du das wissen?»
«Nein», sagte der Colonel, «durch Gottes Güte und Barmherzigkeit bin ich keiner. Aber ich habe mehrere Bücher gelesen. Wir haben viel Zeit zum Lesen, wenn wir unverheiratet sind. Vielleicht nicht ganz so viel wie die Handelsmarine. Aber reichlich. Ich kann einen Schriftsteller vom andern unterscheiden, und ich sag dir, daß ein mittelmäßiger Schriftsteller eine lange Lebensspanne hat. Sie sollten alle Langlebigkeitsrente beziehen.»
«Kannst du mir nicht ein paar Anekdoten erzählen, und wir reden nicht mehr hiervon, wo dies doch mein großer Kummer ist.»
«Ich kann dir Hunderte erzählen. Lauter wahre.»
«Dann erzähl mir eben eine, und dann wollen wir unseren Wein austrinken und dann Gondel fahren.»
«Glaubst du, daß es dir warm genug sein wird?»
«Ach, sicher.»
«Ich weiß nicht, was ich dir erzählen soll», sagte der Colonel. «Alles, was von Krieg handelt, langweilt die, die ihn nicht mitgemacht haben. Bis auf die Geschichten der Lügner.»
«Ich möchte gern etwas über die Einnahme von Paris wissen.»
«Warum? Weil ich dir gesagt habe, daß du wie Marie-Antoinette auf dem Henkers karren aussiehst?»
«Nein. Das war sehr schmeichelhaft, und ich weiß, daß wir uns im Profil ein wenig ähnlich sehen. Aber ich war nie in einem Henkerskarren, und ich würde gern über Paris hören.
Weitere Kostenlose Bücher