Über den Fluß und in die Wälder
stattfindet.»
«Dann tu ich das am Montag. Sonntags werde ich dann alle illustrierten Zeitschriften lesen, selbst die ganz abscheulichen.»
«Vielleicht findest du in einer Bilder von Miss Bergman. Willst du immer noch wie sie aussehen?»
«Nein, nicht mehr», sagte das Mädchen. «Ich will wie ich sein, nur viel, viel besser, und ich will, daß du mich liebst.» Und dann sagte sie plötzlich entwaffnend: «Ich möchte auch wie du sein. Kann ich heute abend ein bißchen wie du sein?»
«Natürlich», sagte der Colonel. «In welcher Stadt sind wir denn ohnehin?»
«In Venedig», sagte sie, «der besten Stadt der Welt, nicht?»
«Ich bin ganz deiner Meinung. Und danke schön, daß du nicht noch mehr Kriegsepisoden hören willst.»
«Ach, die mußt du mir später erzählen.»
«Mußt?» sagte der Colonel und Grausamkeit und Entschlossenheit zeigten sich so deutlich in seinen sonderbaren Augen, wie wenn die schwarze Mündung eines Panzergeschützes auf dich zuschwingt.
«Sagtest du mußt, Tochter?»
«Ich habe es gesagt. Aber ich habe es nicht so gemeint. Oder wenn ich im Unrecht bin, tut es mir leid. Ich meinte, willst du mir später bitte mehr wahre Episoden erzählen und die Dinge, die ich nicht verstehe, erklären?»
«Wenn du möchtest, kannst du ‹mußt› sagen, Tochter. Verflucht noch mal.»
Er lächelte, und seine Augen waren so freundlich, wie sie überhaupt sein konnten, was, wie er wohl wußte, nicht zu freundlich war. Aber es ließ sich jetzt nichts daran ändern. Er konnte nur versuchen, zu seiner letzten, wahren und einzigen Liebe so freundlich wie möglich zu sein.
«Ich stoß mich wirklich nicht daran, Tochter. Bitte, glaub mir. Ich weiß ums Kommandieren, und in deinem Alter hab ich ein ganz beträchtliches Vergnügen daran gefunden.»
«Aber ich will nicht kommandieren», sagte das Mädchen. Trotz ihres Entschlusses, nicht zu weinen, waren ihre Augen naß. «Ich will dir dienen.»
«Ich weiß, aber du willst auch befehlen. Dabei ist nichts Böses. Das haben alle Leute wie wir in sich.»
«Danke für das ‹wie wir›.»
«Das fiel mir nicht weiter schwer», sagte der Colonel und fügte «Tochter» hinzu.
In dem Augenblick kam der Portier an den Tisch heran und sagte: «Verzeihung, my Colonel. Draußen ist ein Mann, ich glaube, es ist ein Diener der Contessa, mit einem ziemlich großen Paket, und er sagt, es sei für den Colonel. Soll ich es im Kofferraum aufheben oder es aufs Zimmer bringen lassen?»
«Aufs Zimmer», sagte der Colonel.
«Bitte», sagte das Mädchen, «können wir es uns nicht hier ansehen? Die Leute um uns herum gehen uns doch alle nichts an.»
«Lassen Sie es auspacken und hereinbringen.»
«Sehr wohl.»
«Später können Sie es sehr behutsam auf mein Zimmer bringen lassen, und sehen Sie zu, daß es für den Transport morgen ordentlich verpackt wird.»
«Sehr wohl, my Colonel.»
«Bist du schon sehr aufgeregt?» fragte das Mädchen.
«Sehr», sagte der Colonel. «Gran Maestro, noch etwas von dem Roederer bitte, und bitte stellen Sie einen Stuhl so hin, daß wir uns ein Porträt bequem ansehen können. Wir sind Liebhaber der bildenden Künste.»
«Ich habe keinen Roederer kalt», sagte der Gran Maestro. «Aber wenn Sie Perrier Jouet…»
«Bringen Sie welchen», sagte der Colonel und fügte «Bitte» hinzu.
«Ich rede nicht wie Georgie Patton», sagte der Colonel zu ihr. «Das habe ich nicht nötig. Außerdem ist er tot.»
«Der arme Mann.»
«Ja. Sein Lebtag ein armer Mann. Trotz seines vielen Geldes und all seiner Panzerwagen.»
«Hast du etwas gegen Panzerwagen?»
«Ja. Gegen die meisten Leute, die in ihnen drin sind. Es macht Menschen zu Kraftmeiern, und das ist der erste Schritt zur Feigheit, wirklicher Feigheit, meine ich. Vielleicht spielt die Platzangst auch dabei eine Rolle.»
Dann blickte er sie an und lächelte, und es tat ihm leid, daß er ihr den Boden sozusagen unter den Füßen weggezogen hatte, wie wenn man einen Neuling beim Schwimmen von einem flachen, dann abschüssigen Strand plötzlich hinaus ins tiefe Wasser nimmt, und er suchte sie wieder zu beruhigen.
«Tochter, nicht wahr, du vergibst mir? Viel von dem, was ich sage, ist ungerecht. Aber es kommt der Wahrheit doch näher als die Dinge, die du in den Memoiren der Generale lesen wirst. Wenn ein Mann erst einmal einen Stern oder mehrere hat, wird es ihm so schwergemacht, zur Wahrheit durchzudringen wie zur Zeit unserer Vorfahren zum Heiligen Gral.»
«Aber du warst doch auch
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