Über den Fluß und in die Wälder
hauen und vergnügt sein und dich hierlassen, um eingepackt zu werden.
Ich wollte nicht unhöflich gegen dich sein. Ich hab nur einen derben Scherz gemacht. Ich will überhaupt niemals unhöflich sein, weil ich von jetzt an mit dir zusammen leben werde. Hoffentlich, fügte er hinzu und trank ein Glas von dem Wein.
36
Es war ein frostiger, kalter, klarer Tag, und sie standen vor dem Fenster des Juweliergeschäfts und betrachteten kritisch die beiden kleinen aus Ebenholz geschnitzten Negerköpfe und Torsen, die mit verzierenden Steinen geschmückt waren. Der Colonel fand einen so hübsch wie den andern.
«Welcher gefällt dir am besten, Tochter?»
«Ich glaube der rechts. Findest du nicht, daß er das nettere Gesicht hat?»
«Sie haben beide nette Gesichter. Aber ich glaube, wenn wir in der guten alten Zeit lebten, wär’s mir lieber, er würde dir aufwarten.»
«Schön, dann kaufen wir den. Laß uns hineingehen und sie ansehen. Ich muß mich nach dem Preis erkundigen.»
«Ich werde hineingehen.»
«Nein, laß mich nach dem Preis fragen. Sie werden mir weniger berechnen, als sie dir berechnen würden. Schließlich bist du ja ein reicher Amerikaner.»
«Et toi, Rimbaud?»
«Du würdest einen furchtbar komischen Verlaine abgeben», sagte das Mädchen zu ihm. «Wir müssen ein paar andere berühmte Leute sein.»
«Treten Sie ein, Majestät, und wir werden das gottverdammte Schmuckstück kaufen.»
«Du würdest auch keinen sehr guten Ludwig XVI. abgeben.»
«Ich stiege zu dir in den Henkerskarren und würde immer noch spucken können.»
«Wir wollen alle Henkerskarren und alle Sorgen vergessen. Laß uns den kleinen Gegenstand kaufen, und dann wollen wir zu Cipriani gehen und berühmte Leute spielen.»
Drinnen im Laden besahen sie sich die beiden Köpfe, und sie erkundigten sich nach dem Preis, und dann gab es einen sehr schnellen Wortwechsel, und der Preis war viel niedriger. Dennoch war es immer noch mehr Geld, als der Colonel hatte.
«Ich werde zu Cipriani gehen und mir Geld borgen.»
«Nein», sagte das Mädchen. Dann zu dem Verkäufer: «Packen Sie ihn in eine Schachtel und schicken Sie es zu Cipriani und sagen Sie, der Colonel ließe bestellen, man möchte es bezahlen und für ihn aufheben.»
«Bitte sehr», sagte der Verkäufer. «Ganz wie Sie wünschen.»
Sie gingen hinaus auf die Straße und ins Sonnenlicht und den unermüdlichen Wind.
«Nebenbei gesagt», sagte der Colonel, «deine Steine liegen auf deinen Namen im Safe im Gritti.»
«Deine Steine.»
«Nein», sagte er zu ihr, nicht scharf, aber so, daß sie es verstehen mußte. «Es gibt Dinge, die man nicht tun kann. Das ist dir nicht unbekannt. Du kannst mich nicht heiraten, und ich verstehe das, obschon ich es nicht gutheiße.»
«Schön», sagte das Mädchen. «Ich verstehe. Aber würdest du einen als Talisman annehmen?»
«Nein, das kann ich nicht. Sie sind zu wertvoll.»
«Aber das Porträt ist auch wertvoll.»
«Das ist etwas anderes.»
«Ja», gab sie zu. «Wahrscheinlich. Ich glaube, ich verstehe langsam, was du meinst.»
«Ich würde, wenn ich arm und jung wäre und sehr gut ritte, mir ein Pferd von dir schenken lassen, aber ein Auto könnte ich nicht annehmen.»
«Jetzt verstehe ich es ganz genau. Wo können wir jetzt sofort hingehen, wo du mich küssen kannst?»
«In diese Sackgasse, wenn du niemand kennst, der hier wohnt.»
«Es ist mir ganz gleich, wer hier wohnt. Ich will fühlen, wie du mich festhältst und küßt.»
Sie bogen in die Seitenstraße ein und gingen bis ans Ende. «Ach, Richard», sagte sie. «Ach mein Lieber.»
«Ich liebe dich.»
«Bitte, liebe mich.»
«Das tu ich.»
Der Wind fuhr in ihr Haar und wehte es gegen seinen Hals, und er küßte sie noch einmal, als es seidig um sein Gesicht schlug. Dann riß sie sich los, plötzlich und hart, und blickte ihn an und sagte: «Wahrscheinlich sollten wir lieber zu Harry gehen.»
«Wahrscheinlich. Willst du historische Personen spielen?»
«Ja», sagte sie. «Wir wollen spielen, daß du du bist und ich ich.»
«Also los», sagte der Colonel.
37
Bei Harry waren nur ein paar vormittägliche Trinker, die der Colonel nicht kannte, und zwei Männer, die hinten in der Bar ein Geschäft besprachen.
Es gab Stunden bei Harry, wenn sich die Bar mit derselben brausenden Regelmäßigkeit, mit der die Flut beim Mont St. Michel eintritt, mit Leuten füllte, die man kannte. Nur, dachte der Colonel, die Stunden der Gezeiten wechseln jeden Tag mit dem Mond, und die
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