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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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jetzt.»
    Als sie ins Hotel kamen, hatte sie ihr Haar geduldig gekämmt; sie war dazu in die Damengarderobe gegangen. Sie haßte solche Räume.
    Sie hatte ihren Lippenstift benutzt, um sich die Sorte Mund zu malen, von der sie wußte, daß er ihn am meisten begehrte, und sie hatte, als sie den Mund sorgfältig nachzog, zu sich gesagt: Überhaupt nicht denken. Nicht denken. Vor allem nicht traurig sein, weil er jetzt fortgeht.
    «Du siehst wunderschön aus.»
    «Danke. Ich würde gern wunderschön für dich sein, wenn ich könnte und wenn ich überhaupt wunderschön sein könnte.»
    «Italienisch ist eine herrliche Sprache.»
    «Ja, Mr. Dante fand das auch.»
    «Gran Maestro», sagte der Colonel. «Was gibt es in dieser Wirtschaft zu essen?»
    Der Gran Maestro hatte sie beobachtet, ohne sie zu beobachten, mit Zärtlichkeit und ohne Neid.
    «Wünschen Sie Fleisch oder Fisch?»
    «Heute ist Sonnabend», sagte der Colonel. «Also kein Fischzwang. Ich werde Fisch essen.»
    «Es gibt Seezunge», sagte der Gran Maestro. «Was wünschen Sie, Contessa?»
    «Was Sie für richtig halten. Sie verstehen mehr vom Essen als ich, und mir schmeckt alles.»
    «Entscheide dich, Tochter.»
    «Nein, ich möchte es lieber jemand überlassen, der mehr davon versteht als ich. Ich habe einen Schulmädchenappetit.»
    «Es wird eine Überraschung sein», sagte der Gran Maestro mit seinem schmalen und zärtlichen Gesicht mit den grauen Augenbrauen über den leicht verhüllten Augen – dem stets glücklichen Gesicht des alten Soldaten, der noch am Leben ist und es schätzt.
    «Gibt es irgendwelche Ordensneuigkeiten?» fragte der Colonel.
    «Nur daß unser Führer selbst in der Klemme ist. Man hat alles, was er besitzt, beschlagnahmt, oder man hat auf jeden Fall eingegriffen.»
    «Ich hoffe, daß es nicht ernst ist.»
    «Wir wollen Vertrauen zu unserem Führer haben. Er hat schlimmere Stürme als diesen überstanden.»
    «Auf unseren Führer», sagte der Colonel.
    Er hob das Glas, das mit dem abgefüllten, neuen und echten Valpolicella gefüllt war. «Trink auf ihn, Tochter.»
    «Ich kann nicht auf das Schwein trinken», sagte das Mädchen. «Außerdem gehöre ich dem Orden nicht an.»
    «Jetzt tun Sie es», sagte der Gran Maestro, «pormerito diguerra.»
    «Dann werde ich auf ihn trinken», sagte sie. «Bin ich wirklich ein Mitglied des Ordens?»
    «Ja», sagte der Gran Maestro. «Sie haben Ihre pergamentene Urkunde noch nicht erhalten, aber ich ernenne Sie zur Außerordentlichen Ehrenamtlichen Sekretärin. Der Colonel wird Ihnen die Geheimnisse des Ordens enthüllen. Enthüllen Sie sie bitte, Colonel.»
    «Ich enthülle sie», sagte der Colonel. «Es sind doch keine pockennarbigen Leute in der Nähe?»
    «Nein. Er ist mit seiner Dame ausgegangen. Mit Miss Baedeker.»
    «Also, okay», sagte der Colonel. «Ich werde sie enthüllen. Du brauchst nur das Hauptgeheimnis zu wissen. Verbessern Sie mich, Gran Maestro, falls mir ein Irrtum unterläuft.»
    «Beginnen Sie mit der Enthüllung», sagte der Gran Maestro.
    «Ich beginne mit der Enthüllung», sagte der Colonel. «Hör aufmerksam zu, Tochter. Dies ist das oberste Geheimnis. Hör zu. Liebe ist Liebe und Spaß ist Spaß. Aber es ist immer sehr still, wenn die Goldfische sterben.»
    «Es ist enthüllt worden», sagte der Gran Maestro.
    «Ich bin sehr stolz und glücklich, ein Mitglied des Ordens zu sein», sagte das Mädchen. «Aber irgendwie ist es ein ziemlich derber Orden.»
    «Das ist es in der Tat», sagte der Colonel. «Und jetzt, Gran Maestro, was essen wir nun eigentlich, ohne Geheimnisse?»
    «Zuerst etwas Krebs enchillada, wie er hier in dieser Stadt zubereitet wird, aber kalt. In der Schale serviert. Dann Seezunge für Sie und Mixed Grill für die Contessa. Was für Gemüse?»
    «Was immer Sie haben», sagte der Colonel.
    Der Gran Maestro verschwand, und der Colonel blickte auf das Mädchen und dann auf den Canal Grande vor dem Fenster, und er sah die magischen Flecken und den Wechsel des Lichts sogar hier am Ende der Bar, die jetzt durch geschickte Handhabung in ein Speisezimmer verwandelt worden war, und er sagte: «Tochter, hab ich dir gesagt, daß ich dich liebe?»
    «Du hast es mir schon eine ganze Weile lang nicht gesagt. Aber ich liebe dich.»
    «Was geschieht Menschen, die einander lieben?»
    «Wahrscheinlich haben sie das, was immer sie haben, und sie sind glücklicher daran als die anderen. Und dann bleibt einem von ihnen Leere auf immer.»
    «Ich werde nichts Grobes sagen»,

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