Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
verändert sich im Verlauf der Seiten enorm. Zuerst wird
die Fee meist als eine Art Femme fatale beschrieben; düster, verführerisch, sexy. Die späteren Gedichte sind eher ätherisch, blumig und zärtlich. Es tauchen Namen auf, von denen ich noch nie gehört habe. Wüsste ich mehr über irische Märchen, hätte ich das Rätsel vermutlich schon gelöst. Und hier gibt es nicht mal einen Internetzugang. Ich brauche andere Quellen. Nur welche?
Ha! Zum Beispiel den redseligen Seamus. Der hat doch auch das richtige Alter. Vielleicht weiß der ja was. Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, etwas Schminke aufzulegen und die superlässige Tochter zu geben, die den Jungs Bier und Schnittchen reicht.
Als ich in der Küche stehe und Gurkenscheibchen auf labberigem Toastbrot arrangiere, kommt Frederick rein.
»Wir haben gerade eine Pause eingelegt.«
Ich weiß nicht, was ich antworten soll.
»Wohnst du jetzt hier?«
»Na ja, zumindest vorerst. Ich bin gerade in Deutschland auf Jobsuche. Und so lange ich dort keinen habe, werde ich wohl hierbleiben.«
»Was hast du denn gemacht?«
»Presse.«
»Spannend.«
Lustig, warum denken die Leute das nur immer?
»Warum hast du denn aufgehört?«
Oje! Wenn der wüsste …
»Ärger mit dem Chef?«
»Nicht ganz, aber mit einem Kollegen«, nuschele ich schnell und werde rot.
»Solchen Ärger also.« Er zwinkert mir zu. Spätestens jetzt reimt er sich bestimmt eine ganz üble Geschichte zusammen,
die bei ausführlicher Betrachtung ganz exakt zutrifft. Ich schaue mir Frederick genauer an. Er trägt einen gepflegten schwarzen Anzug. Steht ihm gut.
»Und was machst du?« Ich beiße mir sofort auf die Zunge. Wahrscheinlich ist es total unhöflich, nach dem Job zu fragen. So als würde man sich direkt nach dem Gehalt erkundigen oder so.
Er grinst aber nur.
»Anwalt«, sagt er.
»Spannend«, erwidere ich.
Wir lachen beide.
»Wohnst du denn hier?«
»Nein, ich besuche nur gerade meine Eltern. Ich wohne in Dublin.«
Wie wahrscheinlich jeder vernünftige Mensch hier unter 70.
»Haben deine Eltern denn schon immer hier gewohnt?« Zum Glück ist mir rechtzeitig mein Auftrag wieder eingefallen. Sonst hätte ich noch gefragt, ob er auch noch eine entzückende Freundin in Dublin hat.
»Zumindest in den letzten drei Generationen ist keiner von uns hier weggezogen. Mal abgesehen von mir und meiner Schwester.« Er zuckt lässig mit den Achseln. »Hier zieht überhaupt selten jemand weg. Seamus zum Beispiel hat in seinem Leben noch nie das Land verlassen. Höchstens mal kurz die Region, um sich auf einer von ihm arrangierten Hochzeit sehen zu lassen.«
Großartig! Seamus ist tatsächlich genau der Mann, den ich jetzt brauche. Und obwohl ich wirklich gerne noch etwas mit Frederick hier stehen und plaudern würde, schmiere ich die Stullen automatisch schneller, um mit
Seamus reden zu können. Frederick will sich eine schnappen.
»Finger weg«, rufe ich gespielt empört. Aber da hat er sie schon halb in den Mund gesteckt.
Als ich mit meinem Stapel Gurken-Sandwiches zurückkomme, sieht mein Vater mich mit einem verdutzten Blick an, in dem so viel väterlicher Stolz mitschwingt, dass ich mir wie ein hinterhältiges, berechnendes Miststück vorkomme.
»Sandwich?«, flöte ich in die Richtung von Seamus.
Er greift sich eines und schiebt es fast vollständig in den Mund.
»Gutes Mädchen. Soll ich wirklich nichts für dich tun? Ich wüsste da vielleicht jemanden. Gut, er ist ein bisschen älter, aber noch richtig gut in Schuss.«
Bei seinen letzten Worten hat er mir tatsächlich in den Hintern gezwickt. Argh! Ich frage mich langsam, ob er die Frauen, die er an einsame Männer vermittelt hat, immer vorher noch mal ausprobiert hat. Das Recht der ersten Nacht, sozusagen. Ich würde ihm ja gerne eine Ohrfeige verpassen, lache aber nur dümmlich und setze mich zu ihm an den Tisch.
»Und, wer gewinnt?«
»Dein Vater natürlich. Aber nur, weil sonst keiner von uns das Spiel so richtig kapiert hat«, sagt Frederick und zwinkert mir wieder zu. Ich zwinkere fröhlich zurück. Nur ein kleiner Flirt – wie schon gesagt.
»Frederick hat gerade erzählt, dass Sie schon sehr lange hier leben.«
»Mmh«, macht Seamus mit vollem Mund.
Da mir partout keine geschickte Überleitung einfällt, gehe ich zum direkten Angriff über.
»Dann waren Sie doch bestimmt auch schon da, als der deutsche Dichter Zuckermann hier für eine Weile gelebt hat?«
»Ja.« Im Gegensatz zu den Schlossbewohnern scheint ihn
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