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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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dann kündigt er unseren Aufbruch an. Bedauernde Rufe werden laut. Moira guckt von Colin, der sich immer noch die Hände am Kamin
aufwärmt, zu mir. »Kinder, habt ihr euch denn überhaupt schon einander vorgestellt?«
    »Aber sicher doch«, sagt Colin.
    Ich halte lieber meine Klappe. Ich möchte sterben. Ich werde sterben, grummeln mein Magen und mein Schädel.

    Sah er wenigstens gut aus?«, fragt Juli, nachdem sie so laut in den Hörer gelacht hat, dass ich dachte, mein Brummschädel platzt. Ich hätte sie jetzt gerne neben mir am Bett sitzen – samt einem doppelten Kater-Espresso mit frischem Zitronensaft.
    »Ich weiß nicht genau, er hatte zwei Köpfe.«
    »Und jetzt hat er deine inneren Werte auf der Hose.«
    Wenn ich doch wenigstens einen Filmriss gehabt hätte, dann würde ich mich nicht auch noch an die Sache mit dem Mistelzweig erinnern – und an die mit dem Übergeben schon gar nicht. Was, wenn er nun alles Moira und Sir Henry erzählt? Das wäre so peinlich. Ich kann es mir lebhaft vorstellen – die deutsche Besucherin, die dem irischen Landadel erst mal vor die Haustür kotzt. Super!
    »Ist denn die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr euch wiederseht? «
    »Keine Ahnung. Der ist der Neffe von denen. Wenn er öfter da rumhängt, vermutlich schon.« Mein Gott!
    »Wie gerne würde ich die Familie mal sehen.«
    »Na, dann kommt doch.«
    Das ist nur ein halber Scherz. Es wäre herrlich, etwas moralische Unterstützung hier zu haben. Ich könnte noch stundenlang weiterplaudern, aber es ist bereits später Nachmittag,
und ich liege immer noch im Pyjama unter der Decke. Zeit, aufzustehen. »Ich ruf dich wieder an, Juli.«
    Im Wohnzimmer treffe ich meinen Vater, der taufrisch aussieht.
    »Alles klar?«
    »Nichts, was ein Aspirin nicht beheben könnte«, sage ich so lässig wie möglich. Verflixt, gerade dachte ich noch, ich sei wieder fit, aber so in der Bewegung wird mir schon wieder übel.
    »Keine Sorge«, kichert mein Vater, »wenn du erst mal ein paar Monate mit den anderen trainiert hast, merkst du den Alkohol gar nicht mehr.«
    »Papa, du bist Arzt! Du kannst deine Tochter doch nicht zu einem ausgiebigen Trinktraining antreiben!« Ich muss trotzdem kichern.
    Er zuckt zusammen und überlegt offenbar ganz ernsthaft, ob er gerade seine erzieherische Aufsichtspflicht verletzt hat. »Nein«, wiegelt er dann langsam und nachdenklich ab, »eigentlich sehe ich mich jetzt schon eher als Gastronom.«
    Bevor ich wütend aufstapfen und ihn schütteln kann, klopft es an der Tür.
    »Wer kann das sein?«
    »Na, Seamus und Frederick.« Die Miene meines Vaters hellt sich auf.
    Hat man denn hier nie seine Ruhe?
    »Was wollen die denn?«
    »Heute ist unser Skat-Tag.«
    Oh, nein.
    Da öffnet er den Gästen auch schon die Tür. Seamus haut mir unsanft auf die Schulter.
    »Na, das war wohl ein längerer Abend, was?«

    Irgendwie hielt ich es allein in einer Hütte mit meinem Vater für überflüssig, meine hart erarbeiteten Augenringe mit einem Concealer zu kaschieren. Deswegen zucke ich nur gleichgültig mit den Schultern. Wen interessiert, ob Seamus mich für eine Vogelscheuche hält? Ich meine, der Typ spricht mit Elstern!
    Seamus geht zum Tisch und gibt damit den Blick frei auf – einen der attraktivsten Männer, die ich je gesehen habe. Merke, Louisa: Auch in einem einsamen Cottage in einem irischen Rentnerdorf sollte man immer auf angemessene Bekleidung und ausreichend Make-up achten.
    »Hallo, Louisa«, sagt der Typ, der wohl Frederick sein muss. Er spricht das »S« in meinem Namen wie ein »Z«. Das klingt so britisch – und so sexy. Wäre ich nicht noch dabei, eine tragische Trennung zu verarbeiten und auch sonst recht verkatert, würde ich an dieser Stelle wohl erwägen, meinen Aufenthalt auf unbegrenzte Zeit zu verlängern. Dunkle, wellige Haare und fast schwarze Augen – genau mein Typ. Und sieh, wohin es dich das letzte Mal geführt hat, flüstert mir meine fiese innere Stimme zu. Ich will ja auch höchstens ein bisschen flirten, zische ich gedanklich zurück.
    »Na, dann lass ich euch mal in Ruhe spielen«, sage ich schnell und verschwinde wieder in mein Zimmer. Ich merke genau, dass Frederick mir neugierig hinterhersieht.
    Aber ich muss mich endlich auf meine eigentliche, selbst gesetzte Aufgabe konzentrieren. Und wenn die Schlossbewohner nichts über Zuckermann erzählen wollen, muss ich mich vielleicht über sein Werk selbst der Sache annähern. Eines ist mir schon aufgefallen: Die Stimmung der Gedichte

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