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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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Ich überwinde mich nur deshalb zu einem Lächeln, weil ich natürlich im Grunde weiß, dass ich ganz allein die Schuldige
an dem kleinen, unschönen Eklat bin. »Hey, Frederick! «
    »Hallo, Frederick«, ruft auch mein Vater ihm freundlich zu. »Was machst du denn so früh hier?«
    »Ich dachte, ich sorge für ein bisschen Unterhaltung und entführe euch alle zu einer Beerdigung.«
    Mein Vater verschluckt sich an seinem Toast und kichert. »Nein, danke, ich habe die letzte noch nicht verkraftet. Aber ihr solltet auf jeden Fall fahren. Einmal muss man das erlebt haben«, sagt er aufmunternd in unsere Richtung. Die anderen schauen genauso verdutzt wie ich. Frederick nutzt die Gelegenheit, um die Hand jedes Einzelnen zu ergreifen und sich vorzustellen. Ich sehe genau, dass zumindest Tanja sehr angetan von ihm ist. Liegt wohl an ihrer Schwäche für charmante Anwälte. Vielleicht sollte Hritihk doch noch nachkommen? Peter bleibt allerdings ob des jungenhaften Charmes misstrauisch, und auch Juli zeigt sich wenig mehr als höflich.
    »Oh, wer ist denn gestorben?«, fragt sie und blickt dabei kaum von ihrem Marmeladentoast hoch.
    Frederick guckt auf einen Zeitungsausschnitt. »Hm, ein gewisser Rory O‘Flannagan.«
    »Wie, du kennst den Typen gar nicht und willst trotzdem zu seiner Beerdigung? Mit uns?« Das finde ich ausgesprochen merkwürdig.
    Mein Vater grinst. »Das ist hier so eine Art Lokalsport: in die Todesanzeigen gucken, ob jemand in der Umgebung gestorben ist, um dann vor Ort ein Bier und ein Glas Whiskey abzustauben.«
    Ach so? Na dann. Ich schaue in die Runde. Wir müssen erst mittags wieder im Herrenhaus sein und ich will
Frederick nicht schon wieder auf einen anderen Zeitpunkt vertrösten.
    »Aber gibt das keinen Ärger? Was sagen wir denn, wer wir sind?« Juli wirkt immer noch etwas lustlos.
    »Na, Freunde der Leiche natürlich. Wer soll das schon widerlegen? « Frederick sieht kein bisschen verunsichert aus.
    »Aber die hören doch sofort, dass wir Deutsche sind.« Seit wann ist Juli so eine misstrauische Party-Bremse? Sie ist eigentlich immer die Erste von uns, die leichtfertig jeden Blödsinn mitmacht, wenn es nur nach Spaß klingt. Das letzte Mal habe ich sie so argwöhnisch erlebt, als … ich mit Martin zusammengekommen bin. Oje! Da hätte ich wirklich auf sie hören sollen.
    »Wir sagen einfach, ihr seid Teil eines Zweigs der Familie, der früh nach Deutschland ausgewandert ist. Peter, Tanja, Louisa und du sind Geschwister. Eine nette, beinahe irische Großfamilie. Ist doch super.«
    Wir sehen uns an und kichern. Der Gedanke ist einfach zu absurd, um uns nicht zu gefallen. Ich glaube, jetzt hat Frederick alle an der Angel.
    »Warum nicht. Das klingt doch ganz lustig.« Tanja ist schon aufgestanden, die anderen folgen. Damit ist die Entscheidung gefallen. Nachdem wir Klamotten zusammengesucht haben, damit wir alle auch ganz in angemessenem Schwarz auf der Beerdigung aufkreuzen, kurven wir mit Fredericks Wagen durch die Landschaft. Vor einem etwas zerfallenen Gehöft bleiben wir stehen. Wir sind wahrscheinlich nicht die Einzigen, die dem morbiden »Lokalsport« nachgehen. Vor der Tür reihen sich die Wagen und vor uns haben gerade Waldorf, Statler und Seamus ihre Karre halb in den Graben gesetzt. Als sie uns erkennen, unterbrechen
sie ihre lautstarke Zankerei. »Hallo, Frederick. Na, da hast du ja die komplette Bagage mitgeschleppt, was?« Seamus freut sich sichtlich über die Verstärkung.
    Nachdem alle einander vorgestellt wurden – Waldorf heißt in Wirklichkeit Ronan, und Statler entpuppt sich als Ian –, reibt sich Seamus mit echter Verzweiflung in der Stimme den Magen.
    »Hoffentlich gibt es auch etwas zu essen. Ich habe extra das Frühstück ausgelassen.«
    »Das wird deiner Gesundheit nicht schaden, du alter Vielfraß. « Ian piekt Seamus grob in die schwabbelige Mitte.
    »Im Gegensatz zu euch Schnorrern habe ich mir den Anteil am Leichenschmaus redlich verdient. Ich habe den Toten vor einigen Jahren mit seiner Frau zusammengebracht.« Seamus klopft sich stolz auf die Brust.
    Es beruhigt mich, dass zumindest einer von uns den Toten kannte, sonst käme mir unsere Leichenschmaus-Schmarotzerei doch etwas zu blasphemisch vor.
    Am Eingang begrüßt uns eine Frau mit blond gefärbten Locken. Sie hat zu viel pastellrosa Lippenstift aufgetragen, und ihr Hüftumfang hat eindeutig die Maße überschritten, ab denen das Herzinfarktrisiko steigt. Schluchzend wirft sich die Unbekannte in Seamus’ Arme,

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