Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
erscheinen und so weiter. Als ich aus Versehen Colins zweifelnden Blick auffange, erwidere ich ihn mit einer stummen Bitte und wünsche mir innerlich, dass er mich jetzt nicht für vollkommen durchgeknallt hält. Er lächelt und gibt mir mit einer Handbewegung die erhoffte Antwort: Schon gut, ihr habt zwar einen Knall, aber ich werde euch den Spaß nicht verderben.
Pünktlich zum Abendessen haben wir – und ich rühme mich, einen maßgeblichen Anteil daran gehabt zu haben – einen perfekten Plan ausgeheckt. Genaugenommen ein feines Geflecht an Plänen. Und bei so vielen Geschossen muss eines einfach treffen: Das Spukkomitee bilden Violet, Moira und Juli. Die Aufgabenverteilung: Moira nutzt ihren herben Charme, um Vice auf unsere Seite zu bringen, Juli denkt sich die passende Schauermär zur Geistererscheinung aus. Immerhin besteht mindestens ihr halbes Leben aus Kinofilmen. Da sollte sie Stoff genug haben. Violet gebührt der Ehrenpart: Sie spielt den Geist. Derweil werden Colin, Henry und ich endlich die Trödelmärkte der Gegend nach antikem Blödsinn absuchen, dem wir dann mit Julis Hilfe ebenfalls eine Geschichte verpassen und zu Sehenswürdigkeiten erklären. Damit die Besucher auch tagsüber etwas
zu gucken haben. Aber, Moment mal, wieso bin ich in einer Gruppe mit Colin? Ach ja, Henry hatte entschieden, dass wir beide ihn begleiten sollen. Na gut. Dann können wir vielleicht nebenher unsere Zuckermann-Forschungen fortsetzen. Unter Moiras strengem Auge wäre das viel schwieriger.
Henry will vor lauter Freude gleich wieder die Korken knallen lassen. Und würde ihn einer ernstlich davon abhalten wollen? Dummerweise sind wir aber schon total besoffen, bevor wir auch nur einen Schluck getrunken haben. Wir johlen und tanzen, haken uns unter und vollbringen sogar einen CanCan zu der Swingmusik, die Violet aufgelegt hat. Beim Synchronballett hätten wir keine Chance: Unsere Beine fliegen wild durcheinander. Ich blinzele und sehe in die strahlenden Gesichter und kann es selbst nicht fassen. Wir müssen komplett wahnsinnig geworden sein. Noch nie war ich so voller Tatendrang. Ich würde am liebsten sofort anfangen, das Anwesen von oben bis unten umzukrempeln und Geister zu beschwören.
»Das habt ihr gut gemacht, Louisa. Ich habe noch nie erlebt, dass so viele Menschen so begeistert an eine völlig wahnwitzige Idee glauben.« Colin zwinkert mir zu.
So etwas Ähnliches habe ich ja im Prinzip auch gerade gedacht. Aber so harsch hätte er es nun auch wieder nicht formulieren müssen, oder? Wenn er mir jetzt doch nur nicht auch noch seine Hand hinhalten würde, um mich zum Tanzen aufzufordern. Wenn ich sie doch nur nicht nehmen müsste, weil alles andere so furchtbar albern und unhöflich wäre. Wenn die Musik doch nicht gerade so romantisch wäre. Wenn er nur nicht so gut duften ...
O nein! Stopp! Ich bin gewappnet! Ich weiß, was vor sich
geht. Ich bin gar nicht hingerissen von ihm, sondern von der Gewalt unseres großen Projekts. Er hält mich nur zufällig ausgerechnet in diesem erhebenden Moment in seinem Arm, und nur deswegen hätte ich beinahe etwas verwechselt. Egal, welcher Typ da wäre, in diesem Moment wäre ich von jedem hingerissen. Todsicher! Ich verliere meinen Kopf nicht. Vermutlich wäre ich ohnehin zu alt für ihn, höchstens zehn Jahre jünger. Und keine knackige Studentin mehr, denke ich boshaft und male mir sofort aus, wie es wohl wäre, von ihm auf seinem Schreibtisch verführt zu werden. Ich könnte mir ja noch ein paar Zöpfe flechten und ... Schluss jetzt!
Falling in love again
Never wanted to
What am I to do?
Can’t help it
Diese verdammte Musik. Zum Glück hat dieser Mann die eingebaute Gabe, mich immer wieder ganz schnell und knallhart auf den Boden der Tatsachen zu befördern.
»Was wäre, wenn jetzt hier ein Mistelzweig wäre, Louisa?«
Ich muss wohl schmerzhaft das Gesicht verzogen haben, anders ist sein Nachsatz nicht zu erklären. »Oh, oh, bitte nicht kotzen. Diesmal wäre es die gute Hose!«
Er lächelt.
»Es gibt Schlimmeres!« fahre ich ihn wütend an und fühle mich erbärmlich, weil ich eigentlich gar nicht auf ihn sauer bin, sondern auf mich selbst. Darauf, dass mein Magen flattert und mein linkes Schulterblatt genau an der Stelle so verräterisch vibriert, auf die er seine Hand gelegt hat. Das macht mich echt wütend. Aber der Unschuldsknabe, dessen
Atem ich warm an meiner Stirn spüren kann, wittert immer noch keine Gefahr. »Schlimmeres? Zum Beispiel?«
Klar, dass
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