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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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besonders nachtragend ist«, empfiehlt Juli. Meint sie das ernst? Hoffnung bahnt sich vorsichtig ihren Weg aus irgendeinem entlegenen Winkel meines Körpers in mein Hirn.
    »Zumindest, wenn er nicht gerade mit dir zusammen ist«, fährt Juli fort.
    Hmpf! Aber sie hat Recht, ich muss mich dringend entschuldigen. Und ich muss darauf vertrauen, dass er seiner Verwandtschaft genauso verheimlicht, dass sie die dümmste Kuh von allen in ihr Herz geschlossen haben, wie er ihnen die Kotznummer unterschlagen hat.

    Als wir am Schloss ankommen, sehen die alten Herrschaften sehr zufrieden aus. Offenbar sind sie endlich bereit,
auch mal selber das Ruder zu übernehmen: Moira hat bereits Vice angerufen – und er hat Interesse signalisiert. »Ich habe alles getan, um geheimnisvoll, aber nicht verrückt zu wirken. Ich hatte ja noch keine Geschichte, die ich ihm auftischen konnte. Juli?«
    Juli holt einen Zettel heraus und beginnt et was vorzutragen. Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie sich irgendwann mal etwas notiert hätte. Aber ihr fallen offenbar wo sie geht und steht die krudesten Geschichten ein: »Colin hat mir gestern Abend die traurige Liebesgeschichte der Barbara erzählt und ... ähem, davon habe ich mich inspirieren lassen und sie noch ein wenig ausgeschmückt.«
    Ich sehe verlegen zu Colin, der mich vollständig ignoriert. Die Legende würde ich schon kennen, wenn ich ihn an den Steinmauern nur hätte ausreden lassen, statt die Geschichte gleich abzuschmettern.
    »Also. An der Stelle, an der die Mauern zu sehen sind, stand im frühen Mittelalter eine mächtige Burg. Der Besitzer war ein zorniger und gewalttätiger Landherr. An dieser Stelle, wo wir jetzt stehen, stand eine kleine Hütte des Gesindes. Irgendwann tauchte aus dem Nichts ein schönes Mädchen auf. Sie sprach kein Wort. Sie schlief auf dem Stroh vor der Tür und verrichtete kleine Arbeiten. Es gab Gerüchte, sie hätte Elfenblut und sei von den Ihren verdammt und vertrieben worden. Sie war den Arbeitern unheimlich und man wollte sie verjagen. Aber eine der älteren Mägde erkannte zum Glück, dass das Mädchen hilfsbereit und gut war, und nahm sich ihrer an. Nach und nach gewannen alle das Mädchen, das sie Barbara nannten, lieb. Bis auf die echte Tochter der alten Magd, die boshaft und faul war und Barbara alles missgönnte – vor allem die
aufkeimende Liebe zum jungen Stallknecht, auf den sie selbst ein Auge geworfen hatte. Sie schlich ihnen hinterher, wenn die beiden kleine, unschuldige Spaziergänge zum Wasserfall machten. Alle wussten, dass der Burgherr eine Vorliebe für junge Frauen hatte und bei der Eroberung gnadenlos vorging. Und der bösen Halbschwester, die freiwillig in seine Kammern gegangen war, weil sie sich Vorteile davon versprach, kam eine Idee, wie sie ihre Liaison für sich nutzen konnte. Sie hatte gesehen, dass Barbara, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, nachts am Wasserfall badete. Sie verabredete also ein Stelldichein am Wasserfall und versprach, ihre jüngere ›Schwester‹ mitzubringen. Als der Graf bei Vollmond zum Wasserfall ging, traf er aber nur Barbara, die ihre langen Haare wusch. Als sie nichtsahnend dort badete, riss er sie ohne Umschweife an sich und sprach sie an. Dass sie aber nichts erwiderte, war ihm unheimlich. Er schüttelte sie und brüllte sie an. Aber sie blieb ganz still. Als er über sie herfallen wollte, schrie sie jedoch plötzlich los. Sie hörte nicht mehr auf zu schreien, und der wütende Fürst nahm schließlich sein Messer und stach sie nieder. Er ließ sie einfach am Wasserfall liegen. Die arme Barbara schleppte sich noch bis zu dem Gesindehaus und starb in den Armen ihres Liebsten. Der wurde des Mordes beschuldigt und gehängt. Seither spukt sie auf dem Gelände herum, um das geschehene Unrecht kundzutun.«
    Julis Vortrag war äußerst eindrucksvoll und dramatisch, als würde sie das alles gerade vor ihren eigenen Augen sehen. Nun ist sie wieder ganz bei uns und schaut verlegen zu Boden. »Das war‘s. Also, nun ja, wenn ihr das einfach zu doof findet, verstehe ich das. Mir fällt sicher noch etwas anderes ein …«

    »Quatsch, das war großartig, Juli! Genau das, was wir brauchen.« Das finde ich wirklich. Mord und Liebe! Besser geht‘s doch gar nicht. Ich suche in den Gesichtern nach Bestätigung. Moira lässt ihre Kippe lässig im Mundwinkel hängen, klatscht laut in die Hände und ruft: »Bravo!«
    Dann klatschen alle. Ach, Violet wird eine großartige Barbara abgeben. Zart, ätherisch

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