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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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er sich keiner Verfehlungen bewusst ist. Das beweist bloß, dass er ein Mann wie jeder andere ist. Martin hielt sich ja auch für unschuldig. »Aber, aber, es war doch nur Sex.« Ich habe diesen Blödsinn noch genau im Ohr. Pah!
    »Nun. Eine Hose zu ruinieren ist eine Sache, eine junge Frau zu ruinieren eine andere«, gebe ich pikiert zurück.
    »Nur gut, dass die Zeiten doch wohl vorbei sind, in denen junge Frauen ›ruiniert‹ werden.«
    Ich sehe zu ihm hoch. Sein Lächeln ist etwas steifer und vorsichtiger geworden. Gut so, dann hat er gemerkt, dass ich streitlustig geworden bin. Nur scheint ihm immer noch gänzlich unklar zu sein, worauf meine Anspielung hinauslaufen soll.
    »Frederick hat mir alles erzählt.«
    Nun kneift er die Augen wütend zusammen und drückt mich etwas fester an sich, aber nicht auf die sexy Art, eher grob und angespannt.
    »Was denn erzählt?«
    »Deine Frau ist dir weggelaufen, weil du eine Studentin erpresst hast – gute Noten gegen Sex.«
    So, nun ist es raus. Die nackte, ekelige Wahrheit. Aber obwohl es nichts als die Wahrheit ist, habe ich bei den letzten Worten den Blick gesenkt und genuschelt. Denn natürlich weiß ich genau, dass ich gerade zu weit gehe. So etwas bespricht man nicht im Rahmen einer fröhlich ausgelassenen Feier. Genau genommen sollte ich so etwas zu gar keinem Zeitpunkt mit Colin besprechen. Es geht mich rein gar nichts an, was er so treibt, wenn seine Familie außer Sichtweite ist.

    »Wann hast du das von Frederick gehört? Bevor oder nachdem du mich gebeten hast, dir mit den Gedichten zu helfen?« Seine Stimme ist ganz sanft, aber er ist mir so nahe, dass ich spüre, wie viel Zorn unter den ruhigen Worten mitschwingt. Mir zittern die Knie.
    »Davor«, sage ich und senge mit meinem starren Blick vermutlich gerade Brandlöcher in unsere Schuhspitzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Abend noch irgendwie gut für mich ausgeht, liegt jetzt bei unter null.
    »Und dann dachtest du dir: Ich bleibe mal freundlich und nett zu dem Mistkerl, damit er mir auch ja hilft, seine Verwandten zu hintergehen, und ich behaupten kann, er könne mir trauen.«
    Das trifft es wieder mal ziemlich genau. Aber ich finde, er hätte auch das nicht ganz so harsch ausdrücken müssen.
    Außerdem finde ich es merkwürdig, dass wir immer noch tanzen. Aber er dreht mich so heftig, dass ich umfallen würde, wenn ich ihn losließe. Gott, mir ist übel.
    »Gott, mir ist übel«, entfährt es mir auch prompt.
    »Mir auch«, sagt er am Ende des Musikstücks. »Falls du dich übergeben musst, tu es draußen.« Er wendet sich ab und geht, ohne mich noch einmal anzusehen, zum Kamin.
    Für mich ist die Party vorbei. Ich bin seltsam traurig. So sehr ich mich über ihn geärgert habe, irgendwie hat sich seine eindeutige Sympathie für mich doch ziemlich gut angefühlt. Ich schäme mich so furchtbar. Aber könnte er sich nicht auch zumindest ein klein bisschen schämen für das, was er getan hat?

    Danach liege ich die ganze Nacht wach, um zu ergründen, warum ich mich so sehr im Unrecht fühle. Er hat schließlich etwas Schreckliches verbrochen, nicht ich. Ich habe es bloß auf den Punkt gebracht! Ich habe vielleicht nicht den perfekten Moment abgepasst, um ihn mit seiner dunklen Vergangenheit zu konfrontieren. Aber wenn wir so eng zusammenarbeiten sollen, dass uns am Ende ein astreiner Antiquitäten-Betrug gelingt, sollte es doch zumindest zwischen uns die größtmögliche Transparenz geben? Andererseits hat sein Sexualleben nicht wirklich viel mit unserem Gemeinschaftsprojekt zu tun. Mach dir nichts vor, Louisa. Du hast ihn nur provoziert, weil du ganz privat an seiner Reaktion interessiert gewesen bist. Wie ausgesprochen unprofessionell . . .
    So ungefähr lamentiere ich bis zum Tagesanbruch vor mich hin, während Juli und Tanja friedlich schlummern. Zwischendurch lasse ich noch einmal die einzelnen Szenen unserer Tanzeinlage in masochistischer Langsamkeit vor meinem inneren Auge ablaufen. Bisweilen stelle ich mir auch vor, ich hätte einfach die Klappe gehalten und auf seine Frage mit dem Mistelzweig eine Spur koketter reagiert. Ob er mich dann in aller Öffentlichkeit geküsst hätte? Vielleicht. Und dann?
    Als es endlich Morgen ist und ich mich zu den anderen an den Frühstückstisch setzen kann, platzt ausgerechnet Frederick in die traute Runde. Ich habe erst gar keine Lust ihn zu sehen, weil er an meinem Zerwürfnis mit Colin ja irgendwie – wenn auch ganz indirekt – die Mitschuld trägt.

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