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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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du zum Beispiel, dass die Paramount-Studios auf einem Friedhof errichtet wurden? Hat Juli mir erzählt. Kein Mensch weiß, was mit den Gebeinen passiert ist. Was, wenn dieser Schädel nun Teil des Fundaments war, auf dem Hollywood entstanden ist. Genau! Du meine Güte. Das hat ja schon hamletsche Dimensionen. Ich meine ...«

    Colin hüstelt schon wieder. Dann kichert er ungehemmt los.
    »Na ja, war ja nur so eine Idee. Außerdem ist für das Teil Juli zuständig.« Zum Glück! Sonst würde dies alles wohl in einem riesigen Desaster enden.
    Auch wenn wir dabei die meiste Zeit lachen, ist dies hier echte Plackerei. Den ganzen Tag verbringen wir in Trödelläden und bei Haushaltsauflösungen, bis Colins ganzer Wagen samt geliehenem Anhänger vollgestopft ist mit wertvollen Ausstellungsstücken – wie zum Beispiel dem Nachttopf des bösen Fürsten, auf dem kaum bekleidete, üppige Mädchen Fangen spielen, oder einer Nadel, auf dessen Öhr so winzig kleine, geschnitzte Figuren angebracht sind, dass man sie nur mit dem Mikroskop erkennen kann.
    »Jetzt will ich nur noch eines«, ächze ich.
    »Na?«, fragt Colin.
    »Alkohol!«
    Er lacht. »Ich kenne da ein kleines, nettes Pub. Ein Bier könnte ich auch vertragen.«
    Wie schön! Wir gehen wieder ganz entspannt miteinander um. Angesicht von Pottwalpenissen, Totenköpfen und Nachttöpfen muss man sich vermutlich zusammenraufen. Es könnte so lustig sein. Zwei Kumpane am Tresen. Wenn ich nicht zufällig absolut heiß auf diesen Mann wäre.
    »Was wolltest du mir eigentlich noch erzählen, als wir im Wald waren?«, frage ich, als endlich ein kaltes Bier vor uns steht. »Irgendetwas war dir an den Gedichten aufgefallen.«
    »Ach ja. Hast du gemerkt, dass die Frau am Ende des Buches eine ganz andere zu sein scheint als am Anfang?«
    »Ja, das hat mich auch gewundert.«
    »Es sind zwei verschiedene Frauen. Ich habe ein bisschen
nachgedacht und ein wenig in den alten Märchen nachgeschlagen. Sie sind in der Art, wie sie sich geben, bewegen und auftreten, jeweils einer mythischen Fee nachempfunden; Alysia und Leana. Die Namen tauchen sogar im Text auf.«
    Stimmt, die beiden Wörter gehörten zu denen, die ich nicht zuordnen konnte.
    »Und?« Ich sehe ihn gespannt an.
    »Sie sind zwei sehr gegensätzliche Schwestern – die eine böse, die andere gut.«
    In meinem Hirn rattert es. Das erinnert mich an etwas.
    »So wie Nellie und Violet?« Das würde passen.
    »Ja, genau.« Er nickt. »Ich sage jetzt nicht, dass ich völlig davon überzeugt bin. Aber ich halte es für möglich.«
    »Oh, aber wie kriegen wir das nur raus? Ich meine, wir können Violet schlecht einfach fragen, oder? Ich habe das Gefühl, sie will nicht darüber reden. Was kann da nur passiert sein?«
    »Ja, was mag da nur passiert sein?« Er schaut nachdenklich in sein Bierglas.
    Im Hintergrund legt eine Dubliners-Cover-Band los. Die drei Männer könnten eine um etwa 30 Jahre verjüngte Ausgabe von Seamus, Ian und Ronin sein. An die Musik könnte ich mich echt gewöhnen. Das ist so gemütlich. Colin und ich bleiben einfach sitzen und bestellen Nachschub. Unsere Beine schmerzen. Und der Gedanke, nun durch die Dunkelheit mit dem ganzen Gerümpel über die Dörfer zu fahren, ist nicht sonderlich verlockend.
    »Wieso hast du deiner Frau denn nicht einfach erklärt, was passiert ist? Das kannst du nämlich recht glaubhaft und
eindringlich.« Ich denke an den Tag, an dem er mich vor die Haustür geschleift hat.
    Colin zuckt kurz zusammen, und ich fürchte, schon wieder zu weit gegangen zu sein. Dann verzieht er gequält sein Gesicht. »Stell dir vor, auf die Idee war ich auch gekommen. Natürlich habe ich sie nicht einfach glauben lassen, ich würde über unschuldige kleine Studentinnen herfallen. Sie wollte mir aber nicht zuhören. Wir konnten ohnehin nie richtig miteinander reden.«
    »Warum habt ihr dann überhaupt geheiratet?«
    Jetzt sieht er wirklich aus, als hätte ich ihn in eine eiserne Jungfrau verfrachtet, in der die rostigen Nägel sein Fleisch durchbohren. Blöder Alkohol. Ich sollte wirklich lernen, im passenden Moment die Klappe zu halten.
    »Ich glaube, es war der Sex . . . Wir waren eben zu jung.« Es ist das erste Mal, dass ich ihn nuscheln höre. In betretenem Schweigen vereint starren wir auf den Tresen.
    »Vielleicht wollte ich auch nur so schnell wie möglich wieder eine eigene Familie. Moira, Henry und Violet haben ihr Bestes getan, meine Eltern nach deren Tod zu ersetzen. Und ich liebe sie alle wie

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