Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
haben.
Er lacht. »Und du wirst dich ganz sicher nicht übergeben oder mich irgendwelcher üblen Vergehen beschuldigen?«
»Sicher nicht«, sage ich und ziehe ihn ungeduldig wieder an mich. Endlich legt er auch seine Arme fest um mich. Gut so, aber nicht genug! Da sind mehr Körperteile, die berührt werden wollen als meine Schulterblätter, mein Nacken und mein Mund. Und ich spüre sie in diesem Moment alle sehr deutlich. Plötzlich ist alle Sanftheit und Vorsicht verflogen. Stolpernd zerren wir uns ins Schlafzimmer, wo wir uns ungeschickt die Klamotten vom Leib reißen.
»Autsch!«, kreische ich, als ich mit dem Ellbogen heftig gegen eine Schrankkante knalle. »Verdammt!«, ruft Colin, als er mit dem Kopf heftig gegen das Bücherregal stößt, weil er
bei dem Versuch, sich die Socken von den Füßen zu ziehen, ausgerutscht ist. Aber nach gefühlten drei Stunden – wahrscheinlicher sind es drei Minuten – haben wir es doch noch geschafft: Wir liegen nackt auf seinem Bett und ich stelle zufrieden fest, dass Dozentenhände offenbar nicht nur zum Seiten umblättern gemacht sind.
Am nächsten Morgen stelle ich mich erst mal noch eine Weile schlafend, nachdem ich aufgewacht bin. Ich möchte den heiklen Moment womöglich unliebsamer Erkenntnisse noch ein wenig hinausschieben. Werden wir uns verlegen in die Augen sehen und alles auf den Alkohol schieben? Uns auf dem Weg zum Bad ein Laken umwickeln, weil die Nacktheit uns bei Tageslicht auf einmal unangemessen intim vorkäme? Oder sollte ich mir lieber ganz schnell die Zähne putzen, damit ich appetitlich bin, falls wir noch einmal so richtig loslegen, bevor wir wieder zu den anderen fahren? Die anderen ... Oh, nein! Wie sollen wir uns nur verhalten, wenn wir denen unter die Augen treten. Wird man uns nicht anmerken, dass wir frisch gevögelt zu ihnen stoßen?
Während ich noch so nachdenke, weht ein Luftzug mir eine Haarsträhne vor die Nase. Es ist Colin, der sie sanft angepustet hat. Dann kann ich jetzt wohl meine Augen öffnen. Colin hat seine Hand aufgestützt und sieht mich so zärtlich an, dass ich Bauchschmerzen bekomme. Wir schieben es also nicht auf den Alkohol! Aber was nun? Das hier fühlt sich nicht wie der Beginn einer schäbigen Affäre an, aber eine richtige Beziehung können wir auch nicht miteinander
beginnen. Ich muss zurück nach Deutschland. Und er ist so großartig! Ich hätte viel zu viel Angst vor dem Tag, an dem ich ihm eigentlich nur seinen Lunch ins Büro bringen wollte und ihn dann dabei erwische, wie er gerade eine Studentin mit Hornbrille und Strapsen auf den Schreibtisch wirft. Sind Klischees nicht nur deswegen welche geworden, weil sie einfach immer zutreffen? Und man kennt doch diese Romane, in denen alternde Professoren und Lehrer auf das große Ausnahmegenie stoßen. Das eine Mädchen, das nicht nur ätherisch schön, sondern auch überirdisch klug ist. Das ihre tiefen Gedankengänge auf Altgriechisch und Latein wiedergeben kann und die fundamentalsten Sehnsüchte des Mannes berührt.
Colin küsst mich schon wieder. Nun, vielleicht reicht es auch, wenn ich mir später Gedanken über unsere Zukunft mache, die ohnehin nicht gemeinsam verlaufen wird. Jetzt möchte ich lieber meine Augen schließen und abwarten, was noch so alles passiert.
Nach einer stillen Fahrt – ich habe aber ganz genau gesehen, dass er die ganze Zeit genauso debil gegrinst hat wie ich – betreten Colin und ich ebenso schweigsam das Haus. Bevor wir in das Kaminzimmer gehen, küsst er mich noch einmal kurz in den Nacken und drückt meine Hand. Gott, ich könnte ihn schon wieder ins nächste Bett zerren. Und dann der Supergau: Colin und ich wollten ganz lässig nacheinander den Raum betreten und hatten gehofft, keiner würde unser Kommen bemerken. Von wegen: Sie sitzen alle auf einem Haufen im Kaminzimmer. Als
wir reinkommen, starren uns acht Augenpaare gebannt an.
»Juchhu! Gewonnen, gewonnen!«, kreischt Moira. Alle lachen los.
Schuldbewusster als Colin und ich können zwei Menschen wohl kaum wirken. Die Situation ist aber auch doppelt blöd: Wir sind unsicher gegenüber den anderen und können uns gegenseitig aber auch keinen Rückhalt geben. Schließlich weiß ich gar nicht, wie es um uns steht. Und was er jetzt denkt. Ihm scheint die Situation aber ebenso unangenehm zu sein wie mir. Er kratzt sich nachdenklich im Nacken. Dann fragt er tapfer: »Gewonnen? Was denn?«
»Ich wusste, bei euch beiden läuft was. Ihr habt euch zu merkwürdig zueinander
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