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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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»Und ihr dürft jederzeit wiederkommen«, sagt er zu denen, die bald abreisen müssen.
    An diesem Tag ist es bei uns fast schon ekelhaft harmonisch. Vielleicht weil uns plötzlich klar geworden ist, dass unsere kleine Gemeinschaft auseinanderbrechen wird. Wir
loben uns gegenseitig für die kleinsten Fortschritte der anderen. »Wie trägst du bloß die Farbe so gleichmäßig auf?«, »Du siehst toll aus an der Fritteuse.« Würg! Spürt denn keiner die Anspannung zwischen Colin und mir? Ich finde sie geradezu mit Händen greifbar – und so unerträglich, dass ich fast den Mut der Verzweiflung aufbringe, um ihn darauf anzusprechen. Aber eben auch nur fast. Nachdem die Frauen am Nachmittag noch den Wintergarten aufgeräumt und geputzt haben, so dass man durch die Fenster sogar wieder den Garten sehen kann, und die Männer an der Bretterbude gebastelt haben, bis die kleine Terrasse davor schon fast wieder wie eine Terrasse aussieht, sind wir alle viel zu erschöpft, um unsere Erfolge noch groß zu feiern. Wir verputzen schweigsam noch ein paar Sandwiches, verabschieden uns und schlurfen mit schmerzenden Knochen in unser Cottage zurück.
    Peter und mein Vater ziehen sich gleich in ihre Schlafzimmer zurück. Tanja und Juli bleiben dankenswerterweise noch für ein letztes Bier am Küchentisch sitzen – Gin wäre nach einem Tag wie diesem sogar uns zu hart – um mit mir mein Elend zu bekakeln. Na ja, eigentlich erzähle ich immer wieder das Gleiche. Aber dafür sind Freundinnen ja da. Und eigentlich ist ja auch alles ganz einfach: Ich muss nur eine echte und ordentliche Entschuldigung bei Colin zustande bringen, damit wir endlich wieder normal miteinander umgehen können. Wenn er mich nur nicht immer so schrecklich finster ansehen würde … Ich befürchte fast, dass er mich einfach liegen lassen würde, wenn ich vor ihm auf die Knie fiele. Und ich habe echt keine Lust, mich öffentlich demütigen zu lassen, nur wegen eines klitzekleinen Irrtums und eines winzigen, blöden Ausrasters unter
Alkoholeinfluss. Aber so geht es auch nicht weiter. »Henry und ich holen dich morgen früh ab«, war der einzige Satz, den Colin noch zu mir gesagt hat. Und der klang wie eine Drohung.

    Am nächsten Morgen bekomme ich kaum einen Bissen hinunter. Was ist, wenn Colin mich den ganzen Tag über ignoriert? Selbst wenn Henry bisweilen die Feinfühligkeit eines Bullterriers an den Tag legt, muss dann doch sogar er merken, dass etwas nicht stimmt, oder? Neidisch schaue ich zu meinen Freunden, die sich ausgelassen auf einen neuen Tag im Herrenhaus freuen und sich zur Stärkung die Toastscheiben nur so reinstopfen.
    »Eigentlich müssten wir heute mit der Bude fertig werden«, sagt mein Vater begeistert.
    »Ja, ich glaube, wir sind echt kurz davor«, bestätigt Peter. »Dann holen wir nachher das Biogemüse, damit Tanja uns zeigen kann, wie die Fritteuse funktioniert.« Die Betonung lag so stark auf »Bio«, dass Tanja ein wenig misstrauisch guckt. Oder sie hat gesehen, dass Peter meinem Vater zugezwinkert hat. Aber sie zuckt nur großmütig mit den Achseln. »Meinetwegen. Eigentlich ist das auch ganz einfach. Lernt ihr sicher schnell.«
    Es klopft an der Tür.
    »Ich muss los«, sage ich geknickt zu den anderen. Juli und Tanja gucken mich mitfühlend an.
    »Ach komm, mach dir nicht so viele Sorgen. Henry ist ja auch noch dabei«, sagt Tanja.
    Ich fühle mich trotzdem, als würde mir gleich die Augenbinde
umgelegt, damit mich anschließend die Hand des Henkers auf das Schafott geleiten kann.
    Zumindest um eines hätte ich mir keine Sorgen machen müssen. Henry wird die Anspannung zwischen Colin und mir sicher nicht bemerken. Er ist nämlich gar nicht mitgekommen.
    »Henry fühlte sich ziemlich mies. Dann müssen wir wohl alleine fahren«, sagt Colin.
    Seiner Stimme ist kein Gefühl zu entnehmen, während mein Magen sich in mehreren mörderischen Saltos munter um sich selbst dreht.
    »O.k.«, sage ich, ebenfalls betont gleichmütig.
    Gemeinsam steigen wir ins Auto. Nach etwa zehn Minuten quälender Schweigsamkeit frage ich vorsichtig: »Könnten wir vielleicht Musik anmachen?«
    »Klar, tu dir keinen Zwang an.«
    Nervös ruckele ich an den Knöpfen des Radios herum, bekomme aber keinen vernünftigen Sender rein. Ich werde wahnsinnig. Das halte ich keine fünf Minuten mehr aus!
    »Colin?«
    »Ja, Louisa?«
    »Es tut mir echt wahnsinnig leid. Ich habe mich bescheuert verhalten.« Meine Stimme zittert.
    Er nickt. »Total dämlich wäre gar kein

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