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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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verrückt. Aber das ist nicht ganz das Gleiche.« Den Teil hat er schnell gemurmelt und danach einen ganz großen Schluck Bier genommen. Den Bierschaum wischt er sich mit einer heftigen Handbewegung von den Lippen, als wollte er damit auch hinter seine letzten Worte einen klaren Schlussstrich setzen.
    Nun fühle ich mich richtig mies. Ich hatte glatt vergessen, was Colin schon alles durchgemacht hat: früh verstorbene Eltern, Verleumdung, Scheidung, ...
    Offensichtlich neigt Colin nicht dazu, sich in sein Elend versinken zu lassen. »Oh, das ist eines von meinen
Lieblingsliedern!«, ruft er und seine Augen strahlen ganz hell vor Freude. Gott, ist der süß! Auch wenn seine Stimmungsschwankung mir Kopfschwirren verursacht. Colin packt mich und wirbelt mich durch den Raum. Wir tanzen zu »Rocky Road to Dublin«. Den Refrain habe ich ziemlich schnell drauf und fühle mich deswegen ziemlich irisch:
    One, two, three four, five,
Hunt the hare and turn her
down the rocky road
all the ways to Dublin,
Whack-fol-lol-de-ra !
    Untergehakt drehen wir uns immer schneller und singen laut und falsch. Sexy kann man das wohl nicht nennen. Aber es macht so viel Spaß, dass selbst die feierfreudigen Iren schon ein wenig besorgt zu uns hinübersehen.
    Am Ende torkeln wir Arm in Arm zum Auto.
    »Moment mal«, sagt Colin, als ihm der Autoschlüssel zum ungefähr fünften Mal aus der Hand gefallen ist. »Es ist nicht so, dass einer von uns nicht getrunken hätte, oder?«
    »No, Sir!«, kreische ich begeistert. Dann dämmert mir was. »Ach so. Du meinst, wir kommen jetzt gar nicht mehr zurück?« Verdammt!
    Er kratzt sich am Kopf. Dann sieht er mich besorgt an.
    »Ich weiß nicht genau, ob ich das sagen sollte, aber meine Wohnung ist nicht gerade weit entfernt.«
    Juchhu!
    »Hoffentlich denkst du jetzt nicht, das wäre ein Trick oder so. Ich schlafe natürlich auf dem Sofa.« Der Autoschlüssel
fällt ihm schon wieder aus der Hand. Ich nehme ihn sicherheitshalber an mich.
    »Nein, glaube ich nicht, Colin.« Tue ich wirklich nicht! Aber, ach, wenn es doch ein Trick wäre ... Wir stützen uns gegenseitig, schleppen uns eine halbe Stunde lang durch schwach beleuchtete Gassen und umarmen gelegentlich auch den gleichen Laternenpfahl, wenn uns die Geradeaus-Bewegung mal wieder überfordert. Seine Wohnung ist wirklich ganz in der Nähe vom Pub – nüchtern hätten wir für die Strecke sicher nur fünf Minuten gebraucht.
    Die Wohnung ist geschmackvoll eingerichtet, kein überflüssiger Schnickschnack. Nur im Bücherregal herrscht Chaos: Zerfledderte Science-Fiction-Taschenbücher stehen neben Bildbänden und aktuellen Romanen. Ich studiere die interessante Mischung, während Colin das Sofa bezieht.
    »Willst du jetzt echt noch was lesen? Oder soll ich dir das Schlafzimmer zeigen?« Colin sieht mir über die Schulter.
    Ich lache. »Ich bin fix und fertig und will ganz sicher nichts mehr lesen. Zeig mir das Schlafzimmer! Sofort! Bitte, bitte!«
    Ich folge ihm auf den Flur.
    »Da vorne«, sagt er. »Falls du ein T-Shirt brauchst, kannst du eins aus dem Kleiderschrank nehmen. Handtücher findest du dort auch.«
    Verlegen stehen wir vor der Tür des Schlafzimmers und sehen uns an. Ich will jetzt nicht einfach schlafen gehen. Hilfesuchend blicke ich gegen die Decke.
    »Nein«, sagt er lachend. »Hier hängt auch kein Mistelzweig. «
    »Dann musst du mich wohl ganz ohne Vorwand küssen«, sage ich mit all dem Mut einer Betrunkenen.
    Verdutzt sieht er mich an. O nein, hat er wirklich selbst
kein einziges Mal daran gedacht? Aber was ist mit den Anspielungen, die er gemacht hat? Bitte, Colin, bitte halt mir jetzt keinen Vortrag, in dem du mir erklärst, dass du mich ja ganz nett findest, dir aber wirklich nicht mehr vorstellen kannst. Und bitte, zähl nicht tausend vernünftige Gründe dafür auf, die nur notdürftig verdecken, dass du einfach nicht auf mich stehst!
    Ich zucke verwirrt zusammen, als seine Lippen plötzlich sanft gegen meine stupsen. Weil ich nach meiner dreisten Anmache panisch die Augen geschlossen hatte, habe ich sein Gesicht gar nicht auf meines zukommen sehen. Aber bevor ich es kapiert habe und so richtig genießen kann, zieht er seinen Kopf schon wieder zurück.
    »Weitermachen«, hauche ich und öffne meine Augen. Ich drehe durch, wenn er nicht auf der Stelle weitermacht. Ich will mehr, mehr, mehr! Und dass es noch mal so schön in tieferen Regionen pulsiert, obwohl seine Lippen doch nur ganz züchtig meinen Mund berührt

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