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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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doch seine Stimme klingt gelassen: »Ein wenig unruhig. Ich glaube, Barbara hat mich noch mal heimgesucht.«
    Juchhu, juchhu, juchhu!
    Moira blickt triumphierend zu Colin. Sie denkt, alles sei glatt gelaufen. Wie schön! Die Mühe hat sich gelohnt. Ich gehe zufrieden zurück an meinen Platz und häufe mir noch mal eine Riesenmenge Speck und Rührei auf meinen Teller. Vice sieht aus, als sei ihm gründlich der Appetit vergangen. Mit dem Großmut des Siegers überlege ich, ihn ein wenig zu trösten. Ich könnte ihm ja sagen, dass der Journalist in alles eingeweiht ist und Vice deshalb zumindest nicht sein schauspielerisches Talent verschwenden muss. Aber dann denke ich mir: Warum eigentlich sollte ich ihm die Sache leichter machen? Der Typ ist ein blöder, ekeliger Mistkerl! Außerdem ist es besser, wenn so wenig Leute wie möglich erfahren, was wir hier so treiben. Das hat Nellies Auftritt bewiesen. Wenn unser Projekt gelingt, soll uns die Außenwelt ruhig irgendwann als Schwindler enttarnen. Der Erfolg würde uns Recht geben und unsere Dreistigkeit vielleicht sogar anziehend wirken lassen. Über Recht und Unrecht entscheiden immer die Sieger. Aber bis dahin ...

    Am Nachmittag kehrt Colin mit seinem Journalisten-Freund aufs Schloss zurück. Und immer noch haben wir uns seit unserem Ausflug nicht ein einziges Mal unter vier Augen getroffen. Schade! Ach nee, zum Glück! Ach, aber
ich wüsste doch gerne, was dann passieren würde. Ob etwas passieren würde. Im Moment übt Colin auf mich eine ähnliche Anziehungskraft aus, wie ein elektrischer Zaun auf kleine Kinder. Man muss ihn einfach anfassen! Nur dass ich die Schläge schon vom puren Hinschauen bekomme. Ich weiß nicht, ob ich schon mal so erregt und ängstlich gleichzeitig war. Dass das Objekt meiner zwiegespaltenen Begierde zumindest den Anschein unbeeindruckter Gelassenheit wahrt, ärgert mich ausgesprochen.
    »Louisa, das ist Christopher«, sagt Colin, »und das ist der Fotograf Harry.«
    Ich zwinge mich zu einem offenen Lächeln und schüttele beiden Jungs die Hand. Im gleichen Moment eilt Charlie auf uns zu. Der mürrische Kerl vom Frühstückstisch ist nicht wiederzuerkennen. Er hat seinen jovialen Show-modus eingeschaltet. »Hallo, Jungs, gut, dass ihr da seid. Das hier ist wirklich eine tolle Geschichte«, sagt er, während er beiden die Hand schüttelt.
    Wir ziehen uns an einen der Tische im Wintergarten zurück. Dort gibt Charlie wirklich alles. Fast tut er mir ein bisschen leid, wie er so dasitzt, seine Geistererscheinung ausschmückt und nicht ahnt, dass alle am Tisch ihn für einen Trottel halten. Ich weiche den Blicken der anderen aus, damit ich ihnen nicht aus Versehen verschwörerisch zugrinse, während Charlie seinen Stuss absondert. Christopher und ich, die Journalisten in der Runde, stellen unsere Fragen, die Charlie in die richtige Richtung lenken sollen.
    Es läuft wie am Schnürchen, dennoch bin ich erleichtert, als Colin mit Christopher, Harry und Vice verschwindet, um noch ein paar Fotos zu machen. Sie bleiben eine ganze Weile weg. Schließlich kehrt Colin alleine zurück und ertappt
mich dabei, wie ich immer noch am Tisch sitze und trübsinnigen Zukunftsgedanken nachhänge. Wie soll es nur weitergehen? Ich muss mir endlich klarmachen, dass die Zeit hier in Irland nicht meine echte Welt ist. Das hier ist nicht mein Leben, sondern nur eine vorläufige Flucht wegen meiner unsicheren beruflichen Zukunft in Deutschland. Ich muss endlich wieder anfangen, Bewerbungen zu schreiben. Und ich darf mich nicht zu sehr in Colin verlieben. Sonst stecke ich mitten im nächsten emotionalen Krisenherd – und fahre mit einem gebrochenen Herzen nach Deutschland zurück. Und dabei bin ich doch nur hierhergekommen, um einen Mann zu vergessen. Was ist denn nur plötzlich los? Vor Martin gab es keine Dramen und keine großen Lieben. Es gab stinknormale Beziehungen, in denen ich es nicht allzu lange ausgehalten habe. Es ist wirklich so, als hätte die Männerwelt sich verabredet, Rache zu nehmen für jeden Mann, den ich jemals nicht zu schätzen gewusst habe. Dabei wollte ich doch nie jemanden verletzen, rufe ich still ins Universum. Mir ist nur nicht klar gewesen, wie es ist, richtig verliebt zu sein. Und in welches Elend Zurückweisungen verliebte Menschen stürzen können. Die Lektion habe ich nun verstanden. Es wird Zeit, dass du mich wieder schonst! So weit mein kleines Stoßgebet. Das Universum beantwortet meine innige Bitte mit einem klaren Nein und lässt
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