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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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es«, hauche ich. »Was interessiert mich jetzt noch das Schloss. Seit du deinen Daumen in meine Handfläche gebohrt hast, muss ich an etwas ganz anderes denken.« Mir wird schlecht. Der Selbstekel ist sehr groß. Nur der Glaube an die gute Sache ist größer und stärker. Die Zähne zusammenbeißen und los! »Komm her, du!« Vice lacht und packt mich fester. Panisch schaue ich zu Juli. Die ist in Schockstarre verfallen und sieht angewidert auf unser Opfer runter. Zum Glück fängt sie sich wieder. »Aber ich bin doch auch noch da.« Juli formt ein kleines Schmollmündchen.
    »Ach, ihr unersättlichen jungen Dinger.« Mit seiner freien Hand greift er nun auch noch ihren Arm und zieht uns beide so heftig zu sich runter, dass unsere Köpfe beinahe zusammenknallen. Im selben Moment surrt es, gefolgt von einem eindeutigen Blitzen. Tanja hat den perfekten Moment abgepasst. Juli und ich reißen uns von dem überraschten Vice los und rennen gemeinsam mit Tanja raus. Ich ziehe schnell die Tür hinter uns zu. Von drinnen hören wir sein Wutgeheul. So schnell wir können, rennen wir über die Flure davon. In unser hysterisches Lachen mischt sich Schock, Ekel und echtes Amüsement. Als wir endlich in unserem Zimmer angelangt sind, lassen wir uns ausgelaugt aufs Bett fallen und betrachten die Aufnahme. Sie taugt was: Es ist klar zu erkennen, wie fest Vice seine schmutzigen Pfoten in
Julis und mein Fleisch krallt. Hervorragend! Aber, o Gott, das Bild dürfen die alten Herrschaften – allen voran mein Vater – niemals zu Gesicht bekommen.
    »Das bleibt unser kleines dreckiges Geheimnis«, sage ich.
    »Auf jeden Fall. Wie meinte ich vorhin: Das schweißt zusammen. « Juli kichert.
    »Das ist fast wie Blutsbrüderschaft«, sagt Tanja ganz ernsthaft und hält ihre Hand hin. Juli und ich legen unsere darauf. Unter lautem Gejohle lassen wir triumphierend unsere verschlungenen Arme wieder los und reißen sie in die Luft.
    »Kühlt es nun mit Paviansblut. Zauber wird dann schön und gut«, flüstere ich. Ich habe nämlich gerade das Gefühl, dass wir mit unseren zerzausten Haaren und erhitzten Gesichtern stark an die drei Hexen in »Macbeth« erinnern. Aber, hey, was soll’s? Für Scham ist es nun echt zu spät. Wir schlafen friedlicher, als es so schlimme Mädchen verdient hätten.

    Am nächsten Morgen wanken wir schlaftrunken ins Esszimmer und setzen uns an den Tisch. Moira und Colin sehen uns erwartungsvoll an. Ob uns wohl Spuren der letzten Nacht anzusehen sind?
    »Guten Morgen«, sage ich und gebe Moira einen Kuss auf die Wange.
    »Und ich?«, fragt Colin.
    »Du bekommst auch einen«, sage ich so leichthin wie möglich und bin froh, dass ich mit meinen Lippen seine pieksige Wange streifen kann. Seit unserem Ausflug haben
wir nicht eine Sekunde allein miteinander verbracht. Vielleicht besser so.
    »Falls ihr auch in Stimmung seid«, Colin zwinkert Juli und Tanja zu und hält ihnen spielerisch die Wange hin. Die beiden kichern. »Manche Männer bekommen auch nie genug«, sagt Juli fröhlich und hält dann kurz erschrocken inne. Ich weiß, welchen unersättlichen Mann sie dabei vor ihrem inneren Auge sieht: Charlie Vice, wie er sich in unsere Arme krallt. Kaum haben wir uns hingesetzt, taucht auch schon Teresa mit Rührei, Kaffee und meinem Vater auf.
    »Ich fahre gleich mit Moira ins Krankenhaus und komme dann mit Christopher gegen Mittag zurück«, sagt Colin.
    Christopher? Ach ja, der Journalist, von dem Colin erzählt hat.
    »Ich habe ein wirklich schlechtes Gewissen, dass wir euch hier die ganze Arbeit machen lassen«, sagt Moira bedrückt.
    »Quatsch«, sagt Juli munter, »wir haben alles im Griff.«
    So könnte man das natürlich ausdrücken. Ich hüstele und verschlucke mich an einer Brotkrume. Misstrauisch sieht Colin mich an. Ich setze schnell wieder mein Braves-Mädchen-Lächeln auf.
    Und wenn man an den Teufel denkt: Da kommt auch schon unser Charlie. Und wenn man dann noch einen Pakt mit dem Teufel hat, gibt der sich auch nicht mehr viel Mühe, einem irgendetwas vorzuspielen. Er tritt übellaunig und wortkarg in einem seidenen Morgenmantel zu uns an den Frühstückstisch.
    Ich raune ihm zu: »Ein Wort, und deine Frau bekommt die Fotos. Verstanden? Du glaubst an die Geistererscheinung!« Laut zwitschere ich: »Guten Morgen. Gut geschlafen?«
    Bitte, bitte, lieber Himmel, gutes Universum oder was
auch immer Nettes da oben ist, um unsere bestellten Wünsche auszuliefern, mach, dass es klappt.
    Vice läuft zornesrot an,
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