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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
Autoren: Jana Seidel
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er.
    Moira räuspert sich, als sie es bemerkt. »Henry, du bekommst aber nicht gleich wieder einen Herzinfarkt, wenn ich dir sage, dass dein Spazierstock mir gehört?«
    Colin und ich werden rot und lassen schnell unsere Hände los.
    Henry guckt uns beide sauer an. »Könnt ihr euch nicht ein wenig zusammenreißen, ich hänge an dem Stück.« Dann schaut er Violet verschmitzt an: »Herrje, was hat dieser Ort nur an sich, dass sich alle gleich zu Paaren zusammenrotten müssen.« Er küsst sie auf die Wange, und sie schmiegt sich kurz an ihn. Da klatscht der ganze Tisch!
    Dann steht Henry langsam auf und bedeutet Moira und Violet ihm zu folgen. Wir wollen uns auch erheben, da poltert er schon los. »Ihr bleibt sitzen, ihr habt wahrlich schon genug geleistet. Und weil ich nicht gut in großen gefühlsduseligen Reden bin, müsst ihr mir glauben, dass ich noch viel mehr sagen möchte, wenn ich einfach nur sage: danke! Danke auch an euch, unsere allerersten Gäste«, fährt er in Richtung unserer Probanden fort, »ich hebe mein Glas darauf, dass die Bande hier wieder enger werden und werde immer einen kostenlosen Schokoriegel für euch bereithalten!«
    »Alter Knauser«, brummelt Seamus gerührt, »ein kostenloser Whiskey wäre mir lieber!«
    Was ist nur los? Ich habe schon wieder Tränen in den Augen! Dieses Irland macht mich fertig.
    »Ja, danke euch allen, dass ihr bei uns wart und dass ihr euch so für ein paar Fremde ins Zeug gelegt hat«, sagt Moira und erhebt ihr Glas in unsere Richtung.

    »Es war so schön, euch kennenzulernen, und ihr werdet uns unvorstellbar fehlen.« Violets Stimme zittert.
    Tanja schluchzt und hickst sehr laut.
    »Ja«, sagt Peter mit altkluger Stimme, während wir anderen noch ein paar Tränchen verdrücken. »Fremde sind eben nichts anderes als Freunde, die man noch nicht getroffen hat.«
    Der Arme. Er meinte es wahrscheinlich gar nicht so blöd wie es klang, und er hat es wahrlich nicht verdient, dass plötzlich alle lachend mit Essensresten nach ihm werfen. Uff! Gerade noch mal dem Tränenmeer entkommen. Es bleibt aber eine Tatsache, dass wir nur noch sehr wenige Tage in vollzähliger Runde verbringen werden. Julis und Tanjas Abreise wird ein Vorgeschmack auf die endgültige Trennung sein. In nicht allzu ferner Zukunft werde ich den beiden folgen. Mir wird ganz mulmig, wenn ich daran denke. Und ich habe immer noch keine Bewerbung geschrieben.

    Von da an vergehen die Tage wie im Flug. Im Eiltempo verrichten wir letzte Arbeiten in der Bude und in dem angehenden Gästetrakt des Schlosses. Juli und Henry arbeiten sich an der Ausstellung ab. An den Abenden versammeln wir uns in der Bude und bekommen dabei manchmal noch Besuch aus dem Dorf – vor allem von Seamus sowie Ian und Ronin samt ihren Frauen. Ich finde es schön, dass sich auf diesem Wege auch die Dorfbewohner und unsere alten Herrschaften wieder nähergekommen sind. Aufkeimende Freundschaften kann es gar nicht genug geben. Ich denke
dabei viel zu oft, dass ich mir inzwischen wirklich vorstellen könnte, mein ganzes Leben mit Musik, Alkohol und Fritten zu verbringen. Und mit Colin. Inzwischen fährt er jeden Abend von Dublin aus zum Schloss und bleibt bis zum nächsten Morgen. Weil uns sowieso keiner mehr glaubt, dass wir nichts miteinander haben und mein Vater mit so schlechtem Beispiel voran geht, schlafe ich bei ihm. Wir haben nicht mal mehr Hemmungen, uns vor den anderen zu küssen. Alle scheinen es toll zu finden. Nur Moira sieht ein wenig besorgt drein. Da kann ich ihr leider nicht helfen. Seit ich es tun darf, muss ich Colin einfach ständig anfassen. Eigentlich hätte ich gedacht, Moira würde sich für uns freuen. Vielleicht verrät ihr Scharfsinn ihr auch bloß, was ich vorhabe. Werden sie mich alle hassen, wenn ich abreise und Colin zurücklasse? Darüber kann ich mir noch in Deutschland Gedanken machen! Da bin ich ganz weit weg, und sicher wird mir die Zeit hier im Nachhinein ganz schön unwirklich vorkommen. Als hätte ich dies alles nur geträumt. Auch die Iren werden sich schnell wieder an ihr Leben ohne uns gewöhnen. Nun ja, sie haben Peter an der Backe. Aber der wird hübsch beschäftigt sein. Wir haben nämlich die Speisekarte kräftig erweitert. Darauf hat uns Henrys Krankheit gebracht: Der Grill, den wir zusätzlich zur Fritteuse beschafft hatten, wird keine fettigen Würstchen zu Gesicht bekommen. Stattdessen werden darauf Fisch, ganz leicht mit Olivenöl eingepinselt, und Gemüse in etwas Alufolie im eigenen Sud
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