Ueber den Himmel hinaus - Roman
mehr gebunden, und ich bin überzeugt, eine gut gemachte Fotostrecke in einer hochwertigen Zeitschrift wäre genau das Richtige, um der Welt zu zeigen, dass ich wieder da bin. Sie haben ja vor einiger Zeit bereits Interesse signalisiert; ich habe mich gefragt, ob Ihr Angebot noch steht.« Na also. Ihre Stimme hatte keine Spur gezittert.
»Ah. Um ehrlich zu sein, nein«, sagte Ted. »Als wir damals angefragt haben, war die Situation etwas anders. Carlo?«
Der Fotograf musterte sie kühl. »Sie würden zweifellos ein gutes Motiv abgeben.«
»Sie müssen wissen, wir bilden zwei Arten von Mädchen im G. C. ab«, fuhr Ted fort. »Stars wie Sie einer sind … oder waren, und anonyme Mädchen, die wirklich nur … wegen ihres Körpers ausgewählt werden.«
»Und dafür haben Sie nicht die richtige Figur, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Carlo legte sich die Hände auf die Brust.
»Sie haben natürlich recht; eine Fotostrecke wäre das ideale Signal, dass Sie wieder da sind. Aber leider sind Sie das nicht, oder hat man Ihnen bereits eine neue Rolle in einer Serie oder einem Film angeboten?«
Sie schüttelte den Kopf.
»In diesem Fall wären wir selbstverständlich interessiert.«
Carlos Telefon klingelte, und er huschte, eine Entschuldigung murmelnd, aus dem Raum.
»Ich soll mich also melden, wenn ich wieder Arbeit habe.«
»Genau.« Ted lächelte. »Sie sind zweifellos noch immer sehr schön. Wie alt sind Sie jetzt, vierunddreißig?«
»Einunddreißig«, korrigierte sie ihn pikiert. Es erforderte jede Woche ein paar zusätzliche Stunden im Fitnessclub und dann und wann einige schmerzhafte Nadelstiche in die Stirn, aber sie sah genauso atemberaubend aus wie eh und je.
»Ich lehne nicht etwa ab, weil ich Sie nicht für schön genug halte«, fuhr er fort. »Vielmehr will ich Sie beschützen. Die Klatschreporter würden behaupten, Sie seien verzweifelt, am Ende. Sie würden sich nur schaden.«
»Vielen Dank«, murmelte Natalja. Sie hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten.
Er ergriff ihre Hand, schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Tja … Wollen Sie stattdessen mal mit mir etwas trinken gehen?«
Natalja musterte ihn konsterniert. Er war gepflegt, mächtig, begütert. In ihrem Kopf schrillten Alarmglocken. Sie entzog ihm ihre Hand. »Nein«, sagte sie würdevoll.
Er zuckte unbekümmert mit den Schultern. »Gut, wenn das vorerst alles war …«
»Auf Wiedersehen.« Sie erhob sich, ehe er sie hinauskomplimentieren konnte.
Auf dem Nachhauseweg dachte sie über die Ausweglosigkeit ihrer Situation nach. Sie brauchte Publicity, um an neue Rollen zu kommen, aber niemand wollte sie interviewen
oder fotografieren, ehe sie einen neuen Auftrag an Land gezogen hatte. Sie brauchte einen Agenten. Einen, der Stars machen konnte. So schnell würde sie nicht die Flinte ins Korn werfen.
Während sie Grandads Bett mit frischen, nach Weichspüler duftenden Laken bezog, dachte Lena an die unzähligen Nachmittage in ihrer Kindheit, an denen Natalja unnachgiebig darauf bestanden hatte, die Prinzessin zu spielen, während Lena wie üblich die Rolle der Dienstbotin übernommen hatte. Sofi hatte sich davor stets zu drücken gewusst, indem sie sich eine Funktion mit irgendeinem hochtrabenden Titel à la »die rechte Hand des königlichen Philosophen« ausgedacht hatte. Damals hatte Lena die kleinen Fäuste geballt und sich geschworen, dass sie es einmal allen zeigen würde. Dass sie nie eine Dienstbotin sein würde. Warum war sie dann den Großteil ihres Lebens damit beschäftigt, anderen Leuten die Bettwäsche zu wechseln oder fremden Kindern den Hintern abzuwischen? Sie schüttelte die Kissen auf und ging zum Fenster, um Grandad aufzuhelfen. »So, jetzt kannst du wieder ins Bett.«
»Ich schaffe das auch allein.«
Er schaffte es nicht. Das Alter brachte stets neue Krankheiten mit sich - Arthritis, Bluthochdruck, Abszesse an den Beinen und am Rücken.
Sie verfrachtete ihn ins Bett, drückte ihm Lupe und Zeitung in die Hand und wollte gerade gehen, als er sie bat, sich noch kurz zu ihm zu setzen.
Lena dachte an den Berg Schmutzwäsche, der auf sie wartete. Seufzend sank sie auf den Stuhl neben dem Bett und ergriff Grandads Hand. »Was hast du auf dem Herzen?«
»Du hast doch zu niemandem etwas gesagt, oder? Wegen meines Geldes?«
»Aber nein. Du hast mich doch gebeten, es für mich zu behalten.«
Auch wenn sie schon ein paarmal nahe dran gewesen war. Etwa, als Wendy auf Kredit ein neues Sofa gekauft hatte, für das
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