Ueber den Himmel hinaus - Roman
Dan. »Schafft sie raus!«
Sofi nahm Natalja an der Hand und führte sie hinaus.
Dan stellte sich ihr in den Weg. »Wo wollen Sie mit meiner Tatjana hin?«
»Sie kann sich ihren Text nicht so schnell merken«, erklärte Sofi. »Wir brauchen mehr Zeit.« Natalja staunte über die stoische Ruhe ihrer Cousine.
»Die haben wir nicht. Ist sie Schauspielerin oder nicht? Wenn das so weitergeht, wird sie in diesem Geschäft nicht lang überleben.« Er fuhr, zu Natalja, gewandt, fort: »Ich wusste, dass es keine gute Idee war, Sie einzustellen.«
Wieder kam Sofi ihr zu Hilfe. »Es ist nicht Nataljas Schuld, dass sie die aktualisierte Drehbuchversion nicht rechtzeitig bekommen hat.«
»Jede Schauspielerin, die ich kenne, ist in der Lage, schnell ein paar neue Dialoge zu lernen, vor allem, wenn sie sich kaum von den alten unterscheiden. Wenn sie dafür zu dämlich ist …«
»Das ist sie ganz und gar nicht, es fällt ihr bloß schwer, einen englischen Text zu lesen.«
Natalja trat nach Sofi, aber es war zu spät.
»Was? Wir haben eine Schauspielerin eingestellt, die keine englischen Texte lesen kann? Weiß Rupert davon?«
»Was ist hier los?«
Wie aufs Stichwort kam Rupert Palmer herein. Natalja unterdrückte ein Schluchzen. Jetzt war alles aus. Und nur, weil ihr Gehirn mit der englischen Sprache überfordert war.
Sofi machte sich mit bemerkenswertem Eifer für Natalja stark. Sie berichtete Rupert von dem neuen Skript, den Beleidigungen und Schikanen. Er hörte ihr mit versteinerter Miene zu, dann sagte er zu Natalja: »Ich möchte mit Ihnen reden. Unter vier Augen.«
»Ausgeschlossen. Ich komme mit«, wandte Sofi ein, worauf Rupert missbilligend die Stirn runzelte.
»Schon gut, Sofi«, winkte Natalja ab. »Nicht nötig.«
Sie wusste nicht recht, weshalb. Vielleicht, weil sie es satt hatte, dass ständig in ihrer Anwesenheit über sie geredet wurde, oder weil es ihr peinlich war, vor ihrer Cousine gefeuert zu werden. Vielleicht auch nur deshalb, weil Rupert sie darum gebeten hatte.
Sofi schüttelte den Kopf, doch Natalja hob abwehrend die Hand. »Ich weiß, was ich tue. Ich bin nicht dumm …«
Sie warf Dan einen bösen Blick zu. »Auch wenn das alle glauben.«
»Braves Mädchen.« Rupert führte sie in ein Zimmer im vorderen Teil des Hauses, das förmlich überquoll vor Kisten mit Requisiten, ordentlich aufgerollten Kabeln und Aluminiumkoffern mit Geräten.
»So«, Rupert schloss die Tür hinter ihnen und lehnte sich daran. »Was ist los, Natalja?«
»Ich habe meine Texte gelernt«, sagte sie. »Und jetzt gibt es neues Drehbuch … ein neues Drehbuch.«
»Stimmt es, dass Sie keine englischen Texte lesen können?«
»Ich kann, aber ich bin langsam.«
Er fuhr sich mit den Fingern durch das dichte weiße Haar, den Blick an die Decke gerichtet, und seufzte. »Sie enttäuschen mich, Natalja.«
Sie fröstelte.
»Als ich Ihnen diese Rolle angeboten habe, haben Sie mir versichert, das sei kein Problem.«
»Ich brauche nur bisschen Hilfe. Ein bisschen Hilfe.«
Als er sie musterte, stellte sie einigermaßen erstaunt fest, dass ihr weniger davor graute, gefeuert zu werden, als davor, sein Missfallen zu erregen. Seine Miene wurde etwas milder.
»Wissen Sie, was ich denke, Natalja?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich frage mich, ob Sie die Mühe wert sind.«
Natalja schwieg.
»Aber wenn ich Sie ansehe … Sie sind so … wunderschön.« Er wandte beinahe verschämt den Blick ab, und Nataljas Herz schlug aus unerfindlichen Gründen plötzlich schneller.
Dann zupfte er die Anzugärmel über den gebräunten Handgelenken zurecht. »Ich werde Dan sagen, er soll etwas nachsichtiger mit Ihnen sein«, sagte er, wieder ganz der professionelle Geschäftsmann. »Sie können nichts dafür, dass Sie die neuen Skripts nicht erhalten haben.«
»Vielen Dank, Rupert«, stieß sie hervor. »Ich werde mir große Mühe geben.«
»Tun Sie das.«
»Sofi wird mir helfen. Sie …«
»Ah, ja, Ihre Cousine. Wird sie jeden Tag hier sein?«
»Äh, ja.« Natalja nickte.
»Es ist nicht gut, wenn Sie ihr ständig zu Dank verpflichtet sind. Außerdem ist Englisch nicht Sofis Muttersprache. Ich werde bis zum Ende der Woche einen Coach engagieren, der Ihnen auch mit Ihrem Akzent helfen kann.«
»Sie sind sehr großzügig.«
»Eine rein geschäftliche Entscheidung«, winkte er ab. »Und jetzt an die Arbeit.«
Natalja folgte ihm in die Küche. Sie war etwas enttäuscht, dass er sie nicht selbst coachen wollte, aber er war eben ein
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