Ueber den Himmel hinaus - Roman
fühlte sich an, als würden Bläschen in ihr aufsteigen.
Sie schnappte nach Luft.
»Was ist los?«, flüsterte Natalja.
»Die Kleinen, sie haben sich bewegt!«
»Ach ja?« Natalja legte ihr die Hand auf den Bauch. »Glaubst du, ich könnte es auch fühlen?«
»Eher nicht. Es war nur ganz leicht.« Da war es wieder, eine Reihe kaum merklicher Stöße. Lena stiegen Tränen in die Augen. Zwei süße kleine Babys. Ihre Babys. Sie schluchzte auf.
»Weinst du?«, fragte Natalja.
»Ja. Vor Freude«, sagte Lena.
Natalja ergriff ihre Hand. »Dann ist es ja gut.«
Endlich war der Tag gekommen. Nataljas Nerven lagen blank. Es war noch dunkel, vor ihrem Mund bildeten sich Atemwölkchen. Immer wieder sagte sie sich im Geiste ihren Text vor, während sie mit Sofi auf den Wagen wartete, der sie abholen und zum Set von Lonely Shores an der Südküste von England bringen sollte. Als sie nach der langen Fahrt in Haysbridge-on-Sea ankamen, herrschte dort bereits reges Treiben. Eine Frau mit einem Belichtungsmesser um den Hals kommandierte Leute herum, die, teils mit Kabeln, Kameras oder Mikrofonen beladen, umherhasteten. In dem Raum, in dem sie geschminkt wurde, vermischten sich Kaffeeduft und Zigarettenrauch mit dem schwachen Geruch nach Öl und Farbe, der von draußen hereindrang. In der Garderobe zog ihr eine sehr junge, sehr hübsche Frau Kleid um Kleid an und wieder aus und entschied sich schließlich für ein schlichtes blaues Kleid mit
Knöpfen, ähnlich dem, das Natalja bei den Probeaufnahmen getragen hatte.
Sofi nervte sie mit ihrer Besorgtheit. »Wie fühlst du dich? Hast du deinen Text im Kopf? Kann ich etwas für dich tun?«
Doch Natalja wollte nur allein sein, um sich zu sammeln, fernab von Lärm und hektischer Betriebsamkeit. Immer wieder hielt sie nach Rupert Ausschau, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.
Lonely Shores lief seit vier Jahren im Fernsehen, und Rupert Palmer war das Superhirn dahinter. Davor hatte er für STC bereits zwei andere erfolgreiche Fernsehshows produziert. Dann hatte er in Haysbridge-on-Sea fünf aneinander angrenzende Häuser gekauft und auf diesem Areal das Set für Lonely Shores bauen lassen. Um Kosten zu sparen, filmten hier stets drei Teams gleichzeitig; zwei innen, eines draußen. Die Serie war ein voller Erfolg, stieß bei den Printmedien auf großes Interesse und kurbelte sogar den Tourismus in der Gegend an. Die Schauspieler waren berühmt, insbesondere die Darsteller des beliebten Ehepaares Bradley, das nun mithilfe von Natalja in einen spannenden Handlungsstrang aus Affäre, Trennung und Versöhnung verwickelt werden sollte.
»Tatjana, wir drehen mit Team eins drüben in Nummer fünfundzwanzig, wenn Sie also bitte rüberkommen könnten …«
Natalja, die gerade in der Garderobe Schuhe anprobierte, hob den Kopf. »Jetzt gleich?«
»Ja, jetzt gleich.«
Mit Sofi an ihrer Seite ging sie über die Straße ins Haus Nummer fünfundzwanzig. Die helle Beleuchtung am Set schmerzte in ihren müden Augen. Die Tatsache, dass sie
nicht mit der ersten Szene begannen, machte sie nur noch nervöser. Sie hatte angenommen, man würde chronologisch drehen, doch ihre Ankunft sollte erst um die Mittagszeit gefilmt werden, wenn die Sonne am höchsten stand. Sofi rieb ihr den Arm und sagte, es würde bestimmt alles gut gehen.
Dan Ellison, den Regisseur von Team eins, kannte Natalja bereits von den Probeaufnahmen. Er zeigte ihr ihren Standort in der bis ins kleinste Detail authentisch aussehenden Küche, die allerdings nur eine halbe Küche war. Wände waren eingerissen worden, um Platz für die Kameras zu schaffen, von der Decke hingen Kabel, das Waschbecken war staubig, der Boden zerkratzt. Unmittelbar daneben befand sich das Lager für Ausrüstung und Requisiten. Ein Hüne korrigierte ihren Standort und prüfte die Lichtverhältnisse. Die Darstellerin von Meg Bradley traf ein. Natalja erkannte sie sogleich und begrüßte sie, doch die Schauspielerin nickte bloß und widmete sich wieder ihrem Kaffee. Eine Welle der Zuversicht erfasste Natalja. Sie hatte diese Szene Dutzende Male mit Sofi geprobt. Sie würde glänzen, genau wie sie es Rupert versprochen hatte. Zu schade, dass er nicht hier war.
Es dauerte lange, bis alle bereit waren. Leute kamen und gingen, jemand brachte ihr eine Schürze, die sie erst überstreifte, nur um sie dann auf Anweisung wieder auszuziehen. Es folgte eine Meinungsverschiedenheit.
»Sie soll nur eine Schürze tragen, wenn sie kocht, aber jetzt putzt sie«,
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