Ueber den Himmel hinaus - Roman
ließ eine Stimme aus dem Off verlauten.
»Putzfrauen tragen auch Schürzen.«
»Seit wann?«, fragte die Stimme hinter den Scheinwerfern.
»Meine Putzfrau trägt eine Schürze«, bemerkte die Darstellerin von Meg Bradley.
»Die Zuschauer verbinden Schürzen mit kochen, nicht mit putzen.«
»Kocht sie?«
»Nicht in dieser Szene.«
»Und später?«
Das Drehbuch wurde konsultiert. Natalja nahm all ihren Mut zusammen und sagte: »Viel später kommt Szene, wo Tatjana kocht russisches Essen für Mr. Bradley.« Nämlich Borscht , was in ihren Augen völlig ungeeignet war, um einen Mann zu verführen. Das machte man mit Lamm-Schaschlik oder einem schönen Apfelkuchen mit Vanillepudding, nicht mit Rote-Beete-Suppe. »Aber nicht in dieser Folge.«
»Schürze weg.«
»Besorgt ihr ein Kopftuch.«
Es dauerte weitere zehn Minuten, bis die Friseurin gekommen war und Natalja ein Kopftuch aufgesetzt hatte. Es sollte authentisch und doch attraktiv aussehen. Dann war endlich alles bereit für den ersten Dreh. Jemand rief »Action!«, die Filmklappe wurde geschlagen, und Meg Bradley sprach ihre erste Dialogzeile.
Natalja starrte verwirrt in die Kameras. Diese Zeile kannte sie nicht. »Entschuldigung. Dan?«
»Cut!«, ertönte es ungeduldig aus dem Off. »Was ist los, Tatjana?«
War es üblich, die Schauspieler mit den Namen der Protagonisten anzureden, oder wusste er nicht, wie sie hieß? »Das steht nicht in meinem Drehbuch«, sagte Natalja.
Dan eilte mit einem Skript in der Hand in die Küche und hielt es ihr unter die Nase. Englische Schriftzeichen und Wörter verschwammen vor ihren Augen. Sie konzentrierte sich. Kein Zweifel, der Dialog war geändert worden.
»Sie haben offenbar die aktualisierte Version nicht bekommen. Hier.« Er reichte ihr sein Drehbuch. »Zwanzig Minuten Pause, bis Tatjana diese Szene gelernt hat.«
Natalja wurde heiß. Zwanzig Minuten? Das war nicht fair! Sie hatte geprobt bis zum Umfallen!
Dan lächelte entschuldigend. »So etwas passiert leider gelegentlich, vor allem bei neuen Darstellern. Ich sorge dafür, dass Sie auf die Liste gesetzt werden, und lasse Ihnen die aktualisierten Drehbücher nach Hause schicken.«
»Aber ich habe schon alles gelernt.«
»Sie gewöhnen sich dran«, rief er über die Schulter, schon auf dem Weg nach draußen.
Natalja begann zu schwitzen. »Ist Rupert heute hier?«
»Der kommt meist so gegen Mittag«, sagte jemand hinter den Scheinwerfern.
Sofi gesellte sich zu ihr. Ihre Sommersprossen hoben sich in dem hellen Scheinwerferlicht deutlich ab. »Los, komm, wir studieren gemeinsam deinen neuen Text ein.«
»Ich kann nicht«, zischte Natalja. »Nicht genug Zeit. Ich habe noch anderen Text im Kopf.«
»Du musst. Keine Sorge, ich helfe dir.«
Natalja rührte sich nicht von der Stelle.
»Komm mit.« Sofi führte sie nach nebenan ins leere Wohnzimmer der Bradleys und setzte sich auf das Sofa.
»Das ist so ungerecht!«, jammerte Natalja.
»Du kannst dich beschweren, oder du kannst deinen Text lernen.« Sofi klopfte streng mit dem Finger auf das Skript.
Gemeinsam gingen sie die Szene durch, doch Natalja konnte sich kaum konzentrieren. Der Text unterschied sich nicht wesentlich von der ersten Version, aber es waren zwei Dialoge umgestellt und neues Material hinzugefügt worden. Zu Nataljas Enttäuschung war der Teil, in dem sie von
ihrer Heimatstadt sprach, gestrichen worden. Sie versuchte, sich die Veränderungen einzuprägen und nicht daran zu denken, wie viel Arbeit noch vor ihr lag.
Von nebenan rief Dan nach ihr. »Tatjana, wo sind Sie?«
Sie holte tief Luft. Sofi drückte ihre Hand.
Es war ein Desaster. Ständig kam ihr der alte Text, den sie so gründlich auswendig gelernt hatte, in die Quere. Die Sprache fühlte sich genauso fremd an wie in den ersten Wochen nach ihrer Ankunft in England. Immer wieder verhaspelte sie sich und musste sich so darauf konzentrieren, die richtigen Worte zur richtigen Zeit zu sagen, dass sie keine Gelegenheit hatte, mit schauspielerischen Fähigkeiten zu glänzen. Die Leute wurden ungeduldig - Dans Stimme wurde schärfer, der Mann mit der Tonangel klagte über Schulterschmerzen. Meg Bradley schwitzte und wedelte sich mit dem T-Shirt-Saum Luft zu. Natalja, von den Scheinwerfern geblendet und mit den Nerven am Ende, kam sich vor wie in einem bösen Traum. Als Dan zum elften Mal »Cut! Schon wieder falsch!« rief, brach sie in Tränen aus.
Sofort war Sofi bei ihr. »Ganz ruhig«, tröstete sie sie.
»Wer ist das?«, rief
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